Die Rettung
Artairs Namen darauf existierte. Es genügte, wenn Dylan ein auf seinen Namen lautendes Dokument als Beweis präsentieren konnte.
Doch dann fragte MacCorkindale ihn: »Wo wart Ihr denn in den vergangenen Wochen?«
Dylan antwortete darauf mit der Lüge, die er sich für diesen Fall ausgedacht hatte. »In Glasgow. Ich habe einen Stein für das Grab meiner Frau bestellt.«
»Das hat aber ziemlich lange gedauert, findet Ihr nicht auch?«
Dylan nickte und erklärte so unbefangen wie möglich: »Aye, allerdings. Aber Marmor war schwer zu bekommen, und dann gab es Probleme mit dem Transport.«
Der Leutnant runzelte die Stirn. »Och, Marmor für einen Grabstein? Reichlich übertrieben, nicht wahr?«
Dylan hob würdevoll das Kinn. »Ich habe meine Frau sehr geliebt.«
MacCorkindale verstummte, räusperte sich, ließ den Blick über die versammelten Mathesons gleiten und verkündete: »Ich werde die Männer gehen lassen - mit Ausnahme von Artair Matheson.« Ein Raunen lief durch die Menge. Dylan seufzte erleichtert auf, Artair gab keinen Laut von sich.
MacCorkindale fuhr fort: »Sollte sich jedoch später herausstellen, dass doch Männer aus Ciorram an dem Aufstand beteiligt waren, so werde ich sie ohne Zögern festnehmen lassen.« Er musste wissen, wie wirkungslos diese Drohung war. Zwar bestand die Möglichkeit, dass einer der Hannoveraner den einen oder anderen Matheson wieder erkannte, der nicht auf dem Schlachtfeld gefallen war, aber das war äußerst unwahrscheinlich, und von den Jakobiten würde keiner einen Kameraden verraten. Für MacCorkindale bestand die einfachste Lösung des Problems darin, Artairs Erklärung Glauben zu schenken.
Doch der Leutnant machte den Clansleuten unzweideutig klar, wie er über die Angelegenheit dachte, als er abschließend bemerkte: »Eines merkt euch: Die Krone wird keinerlei Gesetzesübertretungen dulden. Jeden, der versucht, diesen Mann zu befreien, wird der volle Zorn Seiner Majestät treffen. Vor euch liegt viel Arbeit, wenn ihr euer Dorf wieder aufbauen wollt. Ich schlage vor, ihr konzentriert euch jetzt darauf und denkt nicht mehr an diesen unseligen Aufstand.«
Unheilvolles Schweigen beantwortete seine Rede. Auch Dylan, der über den glimpflichen Ausgang der ganzen Sache zutiefst erleichtert war, hörte diese Worte aus dem Mund eines Mannes, der eine englische Uniform trug, nicht gern, selbst wenn dieser Mann ein gebürtiger Schotte war.
MacCorkindale wandte sich ab und schwang sich auf sein Pferd. Dylan und Robin erhielten ihre Dolche zurück, Artairs Schwert wurde dagegen beschlagnahmt. Die Soldaten fesselten Artairs Hände mit einem langen Strick, bevor sie gleichfalls auf ihre Pferde stiegen. Artair musste hinter ihnen herlaufen, als sie durch das Tal zur Garnison zurückritten.
Der ganze Clan sah ihm bedrückt nach. Wieder hatten sie einen der Ihren an die Engländer verloren. Keiner glaubte daran, dass sie Artair je wiedersehen würden. Auch Dylan sah der immer kleiner werdenden Gestalt des Grünschnabels hinterher und haderte dabei mit dem Schicksal, das bestimmte, welche Schotten Schotten bleiben durften und welche deportiert wurden, um zu Amerikanern zu werden.
Endlich sagte Robin laut: »Jetzt bist du unser Laird, Dylan.«
Die Erkenntnis verschlug Dylan für einen Moment den Atem. Laird. Dylan Robert Matheson von Ciorram. Sinann begann hysterisch zu kichern, doch er achtete nicht auf sie. Es gab keinerlei Anlass für diese unangebrachte Heiterkeit.
Auch war jetzt nicht der Augenblick, über Dinge nachzugrübeln, auf die er keinen Einfluss hatte. Er drehte sich um, bahnte sich einen Weg durch die Menge und ging auf die Burg zu. Seine Burg. Plötzlich begannen alle gleichzeitig auf ihn einzureden, fragten nach den verbliebenen Vorräten und wollten wissen, wie sie ihre Häuser wieder aufbauen und wo sie neues Vieh herbekommen sollten. Fast jeder Einwohner des Tals hatte den größten Teil seiner Habe verloren. Dylan musste brüllen, um das Stimmengewirr zu übertönen. »Wo sind meine Kinder?«
Niemand konnte ihm eine Antwort geben. Nana erklärte, sie habe sie vor einiger Zeit im Burghof spielen sehen, aber das half ihm auch nicht weiter.
»Wo ist Sarah?«
»Och, Sarah haben die Räuber mitgenommen«, erklärte Nana.
Dylan blieb stehen und drehte sich um. »Wie bitte?«
»Seit dem Überfall hat sie niemand mehr gesehen.«
Was hatte das jetzt wieder zu bedeuten? Dylan rief nach Malcolm, während er den Burghof so rasch überquerte, wie die Menschenmenge
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