Die Rolling-Stone-Jahre (German Edition)

Straße, auf der man so ein Bike ausfahren könnte. Ich hab es geschafft, die Maschine von Ventura in die Stadt zu McGoverns Hauptquartierhotel zu fahren, und bin dabei kaum aus dem zweiten Gang rausgekommen, aber die Vibrationen pulverisierten meine Handgelenke, und kochendes Öl aus den Entlüfterrohren färbte meinen rechten Fuß pechschwarz. Als ich die Vincent später zur nächsten Testfahrt starten wollte, brach mir der Rückstoß vom Kickstarter fast das Bein. Noch zwei Tage hinterher humpelte ich mit einem golfballgroßen Bluterguss unter der Fußsohle durch die Gegend.
    Letzte Woche habe ich es noch mal mit dem Mistding versucht, aber es ging mir auf der Auffahrt zum Hollywood Freeway aus, und ich hätte mir beinahe die Hand gebrochen, als ich wutentbrannt ausrastete und wie ein Bescheuerter auf den Benzintank einschlug. Danach stellte ich das Bike auf dem Hotelparkplatz ab – wo es abgeschlossen und mit dem Aufkleber MCGOVERN FOR PRESIDENT am Lenker tagelang stehen blieb.
    George sagte nie einen Ton, und als ich bei Gary Hart anregte, dem Senator könnte es vielleicht gefallen, eine kurze Testfahrt mit der Maschine zu machen und dazu die Fotografen der nationalen Presse einzuladen, musste ich mir fast genau denselben Kommentar anhören, mit dem Mankiewicz in Florida reagiert hatte, als ich meine Überzeugung äußerte, dass McGovern eine Million Stimmen oder sogar noch mehr hinzugewinnen könne, wenn er die Fotografen der Nachrichtendienste einladen würde, ihn am Strand in einem Grateful-Dead-T-Shirt und mit einer Dose Bier in der Hand abzulichten.
    Rückblickend denke ich, dass es diese Episode war, die unsere Beziehung trübte. 24 Stunden zuvor war ich bei Mankiewicz in Washington zu Gast gewesen – auf den Lippen ein »illegales« Lächeln, wie John Prine es nennt –, und am Morgen nach diesem Besuch fand er sich in der Maschine nach Florida auf dem Sitz neben mir wieder und musste sich einen total aberwitzigen Vortrag darüber anhören, dass sein Mann politischen Selbstmord begehen sollte, indem er sich auf nie wiedergutzumachende Weise als Kandidat der Strandstreicher, Freaks und Alkis outete.
    Die samoanische Tragödie
    Das Zitat von Villon, mit dem ich dieses Kapitel eingeleitet habe, stammt aus einem Buch, das ich vor einigen Jahren über Outlaw-Motorradgangs geschrieben habe, und damals sah ich darin einen trefflichen kleinen Exkurs in die Vergangenheit und die französische Poesie, der ins Gedächtnis rufen sollte, dass es beileibe kein Zeichen unserer Zeit ist, das Gefühl zu haben, auf eigenem Terrain unweigerlich der Entfremdung anheimzufallen.
    Aber warum dasselbe Zitat benutzen, um eine weitere dieser ausufernden Tiraden zur amerikanischen Politik im Jahre 1972 einzuleiten? Zu den Vorwahlen der Demokraten in Kalifornien? Zu McGoverns Wahlkampf?
    Es muss einen Grund geben. Und den gibt es auch, in der Tat – aber ich bezweifle, dass ich momentan in der Verfassung bin, ihn zu erläutern. Mit Sicherheit kann ich nur sagen, dass ich mein Zimmer betrat und lange Zeit die Schreibmaschine fixierte … in der Gewissheit, dass ich in Kalifornien gerade 17 Tage und 2000 Dollar aufgewendet hatte, um einen Tornister mit 15 Kilo Notizen, Bändern, Zeitungsausschnitten, Wahlpropaganda usw. zu füllen … und ebenfalls in der Gewissheit, dass sich irgendwo in einer dieser verdammten Schubladen ein gültiger Vertrag befand, in dem es hieß, dass ich – und zwar ein bisschen plötzlich – einen langen Artikel über alles zu schreiben hätte, was auch immer sich da draußen zugetragen haben mochte.
    Wie lange noch, gütiger Gott, wie lange? Wo soll das alles enden?
    Von diesem zermürbenden Wahlkampf hab ich mir nichts versprochen als genügend Geld, um das Land zu verlassen und ein, zwei Jahre friedlich im Schmutz und Elend eines Hauses mit großer schattiger Veranda zu verbringen, mit Ausblick auf einen leeren weißen Strand und ein üppiges Korallenriff ein paar hundert Meter weit draußen in der Brandung. Und absolut ohne Nachbarn .
    Irgendein Buchkritiker, dessen Namen ich vergessen habe, nannte mich kürzlich einen »bösartigen Misanthropen« … oder war es ein »zynischer Misanthrop« … aber egal, er (oder sie) hatte recht; und gemacht hat mich dazu die Politik . Alles, was mich hat starrköpfig werden lassen, zynisch & bösartig, lässt sich direkt zurückverfolgen zu jener schlimmen Stunde im September 69, als ich beschloss, mich intensiv mit politischen Prozessen zu beschäftigen …
    Aber