Die Rose der Highlands
sagte er, bevor er das
Seil entknotete und ihre Hände befreite. Der Dämon war aus seinem Gesicht
verschwunden.
Vorsicht, dachte Rose. Ich muss mich vor ihm hüten! Er gehört zu der
Kopflosen.
In seinem Gesicht aber war nichts anderes als Mitgefühl zu lesen,
während er ihr das Glas Wasser reichte. Doch sie holte aus und schlug es ihm
aus der Hand. Es flog in hohem Bogen auf den Boden und zersprang in tausend
Stücke.
»Ich hole Ihnen ein neues Glas. Sie müssen unbedingt etwas trinken.«
Er stand auf und verlieà das Zimmer. Rose schloss die Augen. Endlich
war sie allein. Wie sehr hatte sie sich gewünscht, endlich allein zu sein.
Doch da hörte sie seine Stimme flüstern: »Alles gut. Trinken Sie.«
Aber Rose lieà sich nicht täuschen. Als er ihr das neue Glas mit Wasser
einflöÃen wollte, kniff sie die Lippen fest zusammen.
In diesem Augenblick steckte der Geist seinen Kopf zur Tür herein,
aber ganz plötzlich hatte er die Züge von Keith. Sein linker Arm steckte in
weiÃen Tüchern. Rose streckte ihm ihre Hände entgegen. Zum Zeichen, dass er sie
retten sollte.
»Wissen Sie jetzt, was mit ihr ist?«, hörte sie ihn verzweifelt
fragen, aber warum holte er sie nicht aus dieser Hölle? Rose lieà ihre Arme
kraftlos sinken.
»Lassen Sie mich bitte noch einen Augenblick mit der Patientin allein,
Lord Fraser«, bat der Fremde, der sie über seine randlose Brille hinweg prüfend
anblickte.
»Nein«, schrie Rose. »Keith, bitte, lass mich nicht allein. Er
gehört zur Kopflosen!«
»Gehen Sie! Bitte!«, bat der Fremde Keith ausdrücklich.
Nachdem er sich unter Murren zurückgezogen hatte, beugte sich der
Fremde ganz dicht über sie.
»Misses Fraser, hören Sie mich?«
»Geh«, krächzte sie. »Geh!«
»Misses Fraser, ich bin Arzt und will ihnen helfen. Was sehen Sie?«
»Gelb«. Sie hob den Arm und deutet schwach auf seine Augen.
»Ich habe gelbe Augen?«
Rose nickte, bevor die Müdigkeit sie erneut übermannte und ihr Kopf
zur Seite sackte.
Doktor Scott blieb eine Weile ratlos auf der Bettkante sitzen. Keine
Frage, diese junge Frau litt unter schlimmen Halluzinationen und
Wahnvorstellungen. Aber sie schien so weggetreten, dass er diese Passivität
schwerlich mit der aggressiven Tat in Einklang zu bringen vermochte. Gut, sie
hatte ihm das Glas aus der Hand geschlagen, aber das Messer? Diese geschwächte
Person musste ja mit einem Mal mörderische Kräfte entwickelt haben, um ihrem
Mann eine solche Stichwunde beizubringen. AuÃerdem schien sie sich von ihm
Hilfe zu erwarten. Eine merkwürdige Geschichte, dachte er.
Er sah keine andere Chance, als sie in die Irrenanstalt nach
Inverness bringen zu lassen. Dort hatte man ganz andere Möglichkeiten, eine
Diagnose zu stellen.
Als er die Tür zum Flur öffnete, warteten dort bereits Lord Fraser
und die Krankenschwester, die die junge Lady Fraser betreute, seit sie unter
diesen Ausfällen litt, schon voller Anspannung auf ihn.
»Kann sie vorerst im Haus bleiben? Bitte, Herr Doktor!«, fragte der
Ehemann besorgt.
Doktor Scott schüttelte den Kopf, obwohl es ihm schwerfiel, dem Mann
seine Bitte abzuschlagen. Er sah schrecklich mitgenommen aus, aber das konnte
er nicht verantworten. Es war schon nicht rechtens gewesen, die Polizei auf
seinen audrücklichen Wunsch hin nicht über diesen Zwischenfall zu informieren.
Denn wenn er dem Opfer Glauben schenken durfte, hatte die Frau auf sein Herz
gezielt und es nur haarscharf verfehlt. Das war ohne Zweifel ein Mordanschlag,
auch wenn er im Zustand geistiger Umnachtung ausgeführt worden war.
»Ich glaube, Ihre Frau ist so schwer erkrankt, dass ich es nicht
verantworten kann, sie in Ihrer Obhut zu lassen. Solange ich nicht weiÃ, was
mit Ihrer Frau geschehen ist und unter welcher Krankheit sie leidet, ist das zu
gefährlich. Da ist sie bei uns unter Aufsicht weit besser aufgehoben. Und wir
können an ihrer Heilung arbeiten.«
Doktor Scott versuchte, überzeugend zu wirken, wobei er im Grunde
seines Herzens nicht recht daran glaubte, dass diese junge Frau jemals wieder
das Sonnenlicht sehen würde. Dort, wo er arbeitete, schloss man die Patienten
weg und stellte sie ruhig. Nein, das waren nicht seine Behandlungsmethoden.
Deshalb würde er auch irgendwann sein eigenes Haus führen wollen. Er war
fasziniert von den Erkenntnissen Freuds und hatte
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