Die Rose von Asturien
was hier vor sich ging.
Die Männer starrten Konrad so unverhohlen an, dass er seinem Führer beinahe fluchtartig ins Haus folgte. Der Bote durchquerte den vorderen Teil, öffnete eine Tür und winkte ihm einzutreten. Konrad sah einen großen Raum mit einer Tafel vor sich, an der mehr als zwei Dutzend Männer und mehrere Frauen saßen. Den Ehrenplatz nahm ein Mann in einerhellroten Tunika mit bestickten Säumen ein, in dessen blondem Haar ein schmaler Kronreif funkelte.
Erst beim zweiten Hinsehen erkannte Konrad in ihm den Jäger, den er im Wald getroffen hatte, und erstarrte. Das also ist König Karl, fuhr es ihm durch den Kopf. Warum hatte er das nicht schon im Wald begriffen? Stattdessen war er mit heruntergelassenen Hosen vor dem König gestanden und hatte diesen auch noch geduzt wie seinesgleichen. Mit dem Gefühl, sich unsterblich blamiert zu haben, blieb er neben dem Eingang stehen und senkte den Kopf.
Karl begrüßte ihn mit einem fröhlichen Lachen. »Sei mir willkommen, Konrad vom Birkenhof. Ich habe dir das Ehrenstück des Ebers versprochen, und das sollst du jetzt bekommen. Komm und nimm hier Platz!« Der König klopfte auf den Stuhl zu seiner Rechten, der leer geblieben war, und Konrad ging wie von einem fremden Willen gelenkt darauf zu.
»Darf man wissen, durch welche Heldentat sich dieses Kind eine solche Ehre erworben hat?«, fragte einer der Anwesenden, als Konrad sich gesetzt hatte.
Der Sprecher trug als einziger Mann an der Tafel ein Panzerhemd, das aus winzigen Stahlringen bestand, und an seiner Seite hing ein ungewöhnlich langes und breites Schwert, das nur ein Mann seiner Größe schwingen konnte. Zwar überragte Karl auch ihn, aber die Schultern des Mannes waren noch breiter als die des Königs. Das kantige Gesicht unter den nachlässig geschnittenen Haaren wirkte hart, und seine eisfarbenen Augen musterten die Umgebung mit einem Ausdruck, der zwischen Hochmut und Langeweile lag.
Neben dem Gepanzerten saßen Graf Eward und dessen Schwertbruder Hildiger und ein Stück weiter unten Philibert von Roisel, der Konrad untertags beleidigt hatte. Der Graf und sein Freund missachteten ihn völlig, während Philibertunsicher grinste und nicht so recht zu wissen schien, wie er sich zu ihm stellen sollte.
»Unser junger Freund hat heute Nachmittag den Keiler, den ich verfolgte, mit einem einzigen Schwerthieb getötet!«, erklärte unterdessen der König.
Der Mann in der Rüstung stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Ich habe schon mehr als einen wilden Eber mit einem einzigen Schwerthieb erlegt!«
»Aber noch nicht mit heruntergelassenen Hosen«, antwortete der König amüsiert.
Für einen Augenblick herrschte Schweigen, dann lachten die versammelten Männer und Frauen, dass schier die Wände bebten. Am liebsten wäre Konrad in einem Mauseloch verschwunden, doch ein älterer Mann in der Tracht eines Mönchs nickte ihm anerkennend zu. »Das hätte mir nicht passieren können, denn ich trage unter meiner Kutte keine Hosen!«
»Auch kein Lendentuch, Turpinius?«, fragte der König anzüglich.
Der Mönch winkte ab. »Auf das hätte ich notfalls verzichtet. Aber ein Krieger kann schlecht seine Hose zurücklassen, selbst wenn ein wilder Eber auf ihn zustürmt.«
»Ich kenne genug Männer, die in diesem Augenblick ohne Hosen geflohen wären. Unser junger Freund hat jedoch keinen Augenblick an Flucht gedacht, sondern das Tier mit einem genau gezielten Schwerthieb niedergestreckt. Du, mein lieber Roland …«, Karl warf dem Gewappneten einen halb spöttischen, halb anerkennenden Blick zu, »… hättest wahrscheinlich den Kopf des Keilers säuberlich vom Rumpf getrennt. Dennoch solltest du dem guten Konrad weder Mut noch Kraft absprechen. Ich habe größere und breiter gebaute Männer gesehen, deren Schwertarm weitaus weniger hart zuschlägt als der seine.«
Bei diesem Lob wurde Konrad rot. Er war noch lange kein sogroßer Krieger, wie der König ihn darstellte. Benommen sah er zu, wie ein Diener ihm als Ersten ein gewaltiges Stück Wildschweinbraten vorlegte. Turpinius, der neben ihm saß, raunte ihm zu, er solle mit dem Essen warten, bis Karl damit angefangen habe.
Konrad nickte. So war es zu Hause ebenfalls Sitte gewesen. Die Mutter hatte scharf darauf geachtet, dass weder er noch Lothar vor dem Vater zugegriffen hatten.
»Nimm mir den Scherz mit der Kutte nicht übel. Deine Tat war wirklich bemerkenswert«, fuhr der Mönch fort, um dem jungen Gast aus seiner Verlegenheit zu
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