Die Rose von Windsor: Historischer Roman (German Edition)
sie sich, wie er wohl reagieren würde, wenn sie versuchte, ihn aus der Reserve zu locken. Was natürlich ein riskantes Spiel wäre …
»Aber sein Bruder!«, riss Goda sie aus ihren Gedanken. »Ich bin froh, dass er fort ist.« Sie erschauerte.
Ida verzog das Gesicht. Gundredas älterer Sohn hatte sich bei den Damen des Hofes schon den Ruf eines Grobians ohne Manieren erworben. Hodierna sagte, er sei wie sein Vater, der alte Earl of Norfolk, der auch die einfachsten Gebote der Höflichkeit
ignoriert und erwartet hatte, dass sich jeder seinen Launen fügte, und bei jeder Gelegenheit die Mägde in eine Ecke gedrängt hatte, um sie zu kneifen und zu begrapschen.
Huon und sein Bruder waren kurz nach der Hochzeit ihrer Mutter mit Roger de Glanville abgereist. Ida hatte an der Zeremonie teilgenommen, die in der königlichen Kapelle bei Marlborough stattgefunden hatte. Beide Parteien schienen mit der Verbindung zufrieden, und die Söhne akzeptierten ihren neuen Stiefvater offenbar. Gundreda war nach Norfolk zurückgekehrt, de Glanville jedoch bei Hof geblieben. Ida sah ihn gelegentlich im Gespräch mit anderen Anwälten oder über Papiere gebeugt Möglichkeiten ausarbeiten, das Erbe seiner Frau zurückzugewinnen. Da Ida Henrys Meinung zu diesem Thema kannte, vermutete sie, dass es lange dauern würde, bis es zu einer Entscheidung kam – wenn das überhaupt jemals der Fall sein sollte.
Roger und seine Gefährten begaben sich, noch immer in ihre Diskussion vertieft, zu den Ställen. Ida beugte den Kopf über ihre Arbeit, aber als die Gruppe an ihr vorbeigegangen war, blickte sie auf und verfolgte Rogers anmutige Bewegungen.
Roger griff nach der aufgespießten, warmen weichen Frucht, von der die Glasur aus Wein und Honig tropfte, und bemühte sich, sie zu verzehren, ohne dass Tropfen auf seine Tunika fielen oder klebriger Saft in seinen Ärmel rann, was sich als äußerst schwierig erwies und eine ebenso große Herausforderung für ihn darstellte wie ein Schwertkampf auf dem Übungsfeld.
An diesem warmen Sommerabend nahm der Hof die Abendmahlzeit im Garten ein. Diener schleppten Köstlichkeiten aus den Küchen herbei, unter anderem diese eingelegten Früchte, mit Mandelpaste gefüllte Datteln und knuspriges heißes, käsetriefendes Schmalzgebäck. Henry saß in der Mitte seines Gefolges
auf einem mit Kissen gepolsterten Stuhl. Sein geschwollenes Bein ruhte auf einem Schemel. Der neue Zeitvertreib hatte seine Stimmung gehoben, und er lachte laut über die Scherze, mit denen sein Halbbruder Hamelin of Surrey ihn unterhielt.
Der Wein war zur Abwechslung tatsächlich einmal trinkbar. Roger, der sich ausgesprochen wohl und entspannt fühlte, freute sich, dass sein Urteil über Pferde auf allgemeine Zustimmung gestoßen war. Seine Meinung war gefragt.
»Bei der Zucht müsst ihr euch vorher gut überlegen, worauf ihr Wert legt«, sagte er, während er seine Finger so manierlich wie möglich ableckte. »Sucht Tiere aus, die ihre besten Eigenschaften weitervererben. Fohlen von meinem roten Schlachtross haben alle seine Farbe, gute Lungen und kräftige Knochen.« Er biss in ein in Wein getränktes Stück Pfirsich und wischte sich einen Safttropfen vom Kinn.
»Grau ist für mich die beste Farbe«, meinte Thomas de Sandford, der junge Mann, den Roger einige Zeit zuvor beraten hatte. »Kastanienrot und Braun heben sich nicht aus der Menge hervor.«
»Das hängt vom Äußeren des Pferdes und dem Zustand seines Fells ab. Qualität wird immer ins Auge fallen. Sei froh, dass dein Grauer über beides verfügt.« Rogers Ton war diplomatisch. Blassfarbene Pferde fielen auf und waren für Männer nützlich, die im Kampf gesehen werden wollten, aber das konnte man auch durch eine prunkvolle Schabracke erreichen.
Eine Frau ging mit ihren Zofen an ihnen vorüber. Ihre Schleppe schleifte über das Gras, Juwelen blitzten an ihrem Gürtel. Ein leichter, verführerischer Moschusduft wehte hinter ihr her. Eine der Zofen warf den Männern über ihre Schulter hinweg einen koketten Blick zu. Natürlich wandte sich die Unterhaltung daraufhin von Pferden den Frauen zu, obwohl die Frage der Nachkommenschaft weiter erörtert wurde.
»Ich hätte nichts dagegen, für eine der Stuten, die heute Abend hier grasen, den Hengst zu spielen«, lachte Robert le Breton.
De Sandford grinste.
»Wenn du das tätest, würde aus dir höchstwahrscheinlich ein Wallach werden.«
»Nicht, wenn er sich beeilt«, warf ein anderer ein.
»Wenn man den Gerüchten
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