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Die roten Blüten der Sehnsucht

Die roten Blüten der Sehnsucht

Titel: Die roten Blüten der Sehnsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Peterson
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einfach ist es nicht.« Charles Mann stieß die Luft aus und erinnerte dabei fatal an einen schnaubenden Araberhengst. » Aber wir lenken ihre Aufmerksamkeit auf etwas, das sie mehr interessiert als Schuld oder Unschuld. Wenn es nachher ordentlich zischt und brodelt, werden Sie sehen, was ich meine.«

9

    Tatsächlich war auch Dorothea fasziniert von all den Phiolen und skurril geformten Glasröhren, die an Stativen befestigt zu einer Art Parcours aufgebaut waren. Die Apparatur erinnerte sie an ein Bild, das sie als Kind ungeheuer aufregend gefunden hatte: Der Alchimist. Wie der Mann darauf ausgesehen hatte, wusste sie nicht mehr, aber an die Atmosphäre im geheimnisvollen Halbdunkel konnte sie sich noch gut erinnern.
    Heinrich Sartorius und Mr. Allom schienen sich gut zu verstehen. Beide waren so in ihre Fachdiskussion vertieft, dass sie gar nicht mitbekamen, wie der Saal sich erneut füllte. Erst als Richter Cooper sich laut räusperte, sahen sie auf.
    » Meine Herren, sind Sie so weit?« Der Richter beäugte den Aufbau vor seinem Tisch mit deutlichem Misstrauen. » Ich hoffe, es wird nicht gefährlich für die Zuschauer? Es werden doch keine Giftdämpfe freigesetzt?«
    » Nein, Euer Ehren. Selbst wenn eines der Reagenzgläser zerspringen sollte, ist der Gehalt an Giftstoffen zu gering, um irgendjemandem hier im Saal einen Schaden zuzufügen«, versicherte Sartorius, wobei er ein Lächeln unterdrückte.
    » Dann ist es ja gut. Wären Sie so freundlich, uns den Apparat zu erklären? Den Marsh’schen, richtig?«
    » Gerne. Das Herzstück ist dieser U-förmige Glaszylinder.« Er wies darauf. » Wie Sie vielleicht sehen können, ist das eine Ende offen, das andere endet in einer spitzen Glasdüse. Das dünne Stück Blech hier auf halber Höhe ist aus Zink. Wenn man jetzt die zu prüfende Flüssigkeit, mit einer starken Säure wie Salzsäure versetzt, in das Rohr füllt, wird sich, sobald die Flüssigkeit das Stück Zink erreicht, in einer chemischen Reaktion aus der Säure und dem Zink reiner Wasserstoff entwickeln. Dieser verbindet sich mit Arsen zu Arsenwasserstoff, der durch die Düse entweicht. Man muss nur noch dieses Gas zünden, dann wird sich das metallische Arsen als Spiegel auf einer Porzellanschale, die ich in die Flamme halten werde, niederschlagen. Verblüffend einfach, nicht wahr?«
    » Das würde ich jetzt nicht so sagen«, murmelte Richter Cooper mit ungewohntem Sarkasmus. » Aber fahren Sie bitte fort.«
    » Danke, Euer Ehren.– Um ganz sicher zu sein, dass der dunkle Spiegel auch wirklich aus metallischem Arsenik besteht, muss abschließend unbedingt noch die Arsenprobe mittels Silberoxid durchgeführt werden. Dann jedoch kann man sicher sein, dass die Analyse korrekt ist.« Er sah fragend zu Richter Cooper auf. » Soll ich die Anweisungen zur Entnahme und Behandlung von Proben ebenfalls erläutern, Euer Ehren?«
    » Ich denke, darauf können wir verzichten«, sagte der Richter entschieden. » Das würde zu weit führen. Glücklicherweise haben wir hier keinen Leichnam, sondern nur ein paar Flüssigkeitsproben. Fangen Sie an, meine Herren!« Er wies auf das erste der Fläschchen, das Dorothea am säuberlich beschrifteten Etikett als ›Godfrey’s Elixier‹ wiedererkannte.
    Atemloses Schweigen begleitete die Handgriffe von Sartorius, während er eine ordentliche Portion von dem Extrakt in das U-förmige Glasrohr kippte und danach mit einer Pipette sehr vorsichtig tropfenweise die Säure zugab. Mit vor Anspannung steifen Gliedern wartete Dorothea auf den erlösenden Moment. Wie Mr. Mann prophezeit hatte, qualmte und brodelte es ordentlich in der Röhre, und einige Damen griffen vorsichtshalber schon nach ihren Riechfläschchen. Alles zuckte zusammen, als das glühende Stück Holzkohle, das Mr. Allom dicht neben die Düse hielt, eine Stichflamme produzierte.
    Sartorius drehte die Porzellanschale, die er mit einer Eisenzange genau darüber gehalten hatte, um und studierte konzentriert die kaum sichtbaren, wolkigen Rußspuren. » Keine Spur von Arsen«, verkündete er schließlich und reichte die Porzellanschale hoch zum Richtertisch, wo sie begutachtet und dann an den Schreiber weitergegeben wurde.
    Einige Zuhörer hatten offenbar vergessen, wo sie waren, und klatschten laut Beifall. Richter Cooper brachte sie mit einem strafenden Blick zum Schweigen. Dorothea war fast schwindlig vor Erleichterung. Hatte doch immer ein winzig kleiner Rest Zweifel in ihr genagt, ob dies Elixier tatsächlich so harmlos

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