Die Rueckkehr der Templer - Roman
gar nicht erst denken.«
»Kommt«, sagte Johan, den es vor Unruhe kaum noch im Sattel hielt. »Die anderen warten schon auf uns.«
»Liebst du mich?«, hauchte Hannah Gero ins Ohr.
»Wie kannst du je daran zweifeln?« Gero half Hannah beim Aufsteigen auf den nervös tänzelnden Hengst. Für einen Moment hielt er ihre Hand und schaute sie beinahe tadelnd an.
Mit einem geradezu ängstlichen Blick sah sie ihn an.
»Ich dachte, du bist mir böse, weil ich dir gefolgt bin und damit so viel Unheil angerichtet habe. Aber ich war nicht fähig, mit dem Gedanken zu leben, dich vielleicht nie wiederzusehen.«
»Du hättest meinetwegen nicht dein Leben aufs Spiel setzten dürfen«, erwiderte er sanft und küsste ihre Finger.
»Ich habe es nicht für dich getan«, flüsterte sie und beugte sich zu ihm herab, um seine bärtige Wange zu streicheln. »Ich habe es für unser Kind getan. Ich wollte nicht, dass es ohne seinen Vater aufwächst.«
Kapitel 23
Die Zehn Gebote
August 1153 – Sinai
Mit einem Gefühl der Unwirklichkeit, das sie seit dem Sprung in diese Epoche nicht verlassen hatte, registrierte Hannah in der Ferne das azurblaue Meer unter einem goldenen Himmel. Eine perfekte Urlaubsidylle, wie sie sich für einen winzigen verrückten Moment einzureden versuchte. Wenn da nicht die drei Templer auf den Araberhengsten an |662| ihrer Seite gewesen wären. Und die Tatsache, dass sie noch in der Nacht der Gewalt eines Mannes entronnen war, der seine Vorliebe für fränkische Frauen mit dem Leben bezahlt hatte.
Sicherheit ist das Einzige, was zählt, dachte Hannah, als sie in der warmen Nachmittagssonne Richtung N’alia galoppierten. Dass Gero an ihrer Seite ritt, hätte sie glücklich stimmen können, aber ohne Matthäus, dessen Schicksal nicht geklärt war, hatte die Angst sie immer noch fest im Griff.
Solange der Kampf um den Kelch nicht ausgefochten war, durfte sie nicht davon ausgehen, den Jungen lebend wiederzusehen.
Geros Erklärung, dass er sich bei einem Ordensbruder von André de Montbard in sicherer Obhut befand, überzeugte sie jedenfalls nicht. Denn Geros Ansicht, dass Templer Ehrenmänner seien, traf allem Anschein nach nicht auf jeden zu, der zum Orden gehörte.
Das rote Kreuz auf dem Umhang der Reiter erinnerte sie an Henri Dunant, den Begründer des Roten Kreuzes. Ob er diese Männer im Sinn gehabt hatte, als er dieses Zeichen als Symbol des Friedens und der Sicherheit in Kriegszeiten aus der Taufe gehoben hatte?
Falls es so war, konnte auch er nur ein Realist gewesen sein, der wusste, dass im Krieg andere Gesetze herrschten.
Hannah ahnte, dass Gero an diesem Tag irgendjemanden getötet hatte. Davon zeugte nicht nur das Blut an seinem Mantel. Auch die Verletzungen der übrigen Männer verrieten, dass sie in Kämpfe auf Leben und Tod verwickelt gewesen waren. Dazu kam, dass Khaled, Arnaud oder Struan den Tod des Wesirs auf dem Gewissen hatten. Was bedeutete, dass sie die gleiche Gewalt an den Tag legen konnten wie ihre Gegner und dass sie immer noch Feinde hatten. Menschen, die sie abgrundtief hassten und die kein Problem damit hatten, mit ihnen das Gleiche zu tun, wenn sie in deren Hände fielen. Plötzlich fühlte sie sich vor der ockerfarbenen Wüstenlandschaft in ihrem geborgten, weißen Mantel wie auf einem Präsentierteller. Horrorszenarien von massakrierten Menschen tauchten vor ihrem geistigen Auge auf. Hannah ließ dem temperamentvollen Araber die Zügel, was nicht sonderlich riskant war, weil das Tier nicht mehr die gleiche Begeisterung zeigte wie am Morgen. Sie hatte das vage Gefühl, dass es nicht mehr weit sein konnte, bis sie die Höhlen erreichten, in denen die anderen hoffentlich noch auf sie warteten und sie wenigstens vorübergehend Schutz suchen konnten.
|663| Gero ritt auf ihrer Höhe und zwinkerte ihr aufmunternd zu. Woher er diesen Optimismus nahm, war ihr schleierhaft. Genaugenommen konnten sie nirgendwohin. André de Montbard, der ehemalige Templergroßmeister, würde auf die Auslieferung des Kelches bestehen, ansonsten würde er wohl kaum sein Versprechen halten und Matthäus und Hertzberg endgültig aus den Händen der Templer befreien. Die Königin, die es – soweit Arnaud erzählt hatte – auch auf den Kelch abgesehen hatte, würde Montbard unangenehme Fragen stellen, wenn die von ihr angeheuerten Männer erfolglos geblieben waren. Und die überlebenden Templer von Jerusalem erinnerten sich mit Gewissheit an die sechs abtrünnigen Brüder und ihren leicht
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