Die Ruinen von Gorlan
fort, aber Horace folgte ihm und hielt ihn schließlich am Kragen fest. Bryn heulte und zappelte und schluchzte, doch Horaces Griff war unnachgiebig und es gab kein Entkommen. Schließlich, als Horace das Gefühl hatte, dass er all die Gemeinheiten, die Beleidigungen und den Schmerz, den er durch Bryn erduldet hatte, zurückgezahlt hatte, ließ er ihn los.
Bryn stolperte davon, ließ sich auf Händen und Knien in den Schmutz fallen und schluchzte vor Schmerzen und Demütigung.
Jerome hatte das voller Entsetzen mit angesehen, wohl wissend, dass auch er noch an die Reihe käme. Er wich langsam zurück, hoffte zu entkommen, während die Aufmerksamkeit des Waldläufers abgelenkt war.
»Noch einen Schritt und mein Pfeil wird dich durchbohren.« Will versuchte, seiner Stimme den gleichen ruhigen, drohenden Klang zu geben, wie er es bei Walt immer hörte. Er hatte inzwischen einige seiner Pfeile eingesammelt und einen davon bereits an die Bogensehne gelegt. Walt blickte sich beifällig zu ihm um.
»Gute Idee«, sagte er. »Ziele auf die linke Wade. Dort tut es ziemlich weh.« Er blickte hinüber zu Bryn, der schluchzend zu Horaces Füßen auf dem Boden lag. »Ich glaube, er hat genug«, stellte er fest. Dann deutete er mit dem Daumen auf Jerome.
»Du bist dran«, befahl er kurz. Horace nahm den Stock, den Bryn fallen gelassen hatte, und ging auf Jerome zu, doch dieser wich zurück.
»Nein!«, schrie er mit aufgerissenen Augen. »Das ist nicht gerecht! Er…«
»Natürlich ist es nicht gerecht«, stimmte Walt ihm in verständnisvollem Ton zu. »Ich erinnere mich, dass ihr ja meintet, drei gegen einen sei gerecht. Also los jetzt!«
Will hatte schon öfter die Redewendung gehört, dass eine in die Ecke gedrängte Ratte schließlich doch beißen wird. Jerome bestätigte das jetzt. Unvermittelt griff er an.
Und zu Jeromes Überraschung wich Horace vor dem Hagel aus Schlägen zurück. Sein Selbstvertrauen wuchs. Er hatte jedoch in seinem Eifer nicht bemerkt, dass Horace jeden Schlag mit Leichtigkeit, ja fast mit Genugtuung parierte. Jerome hätte genauso gut auf eine Wand einschlagen können.
Mit einem Mal wich Horace nicht weiter zurück. Er stand da und wehrte Jeromes letzten Schlag mit eiserner Faust ab. Sie standen ein paar Sekunden lang Brust an Brust, dann begann Horace, Jerome zurückzudrängen. Seine linke Hand packte Jeromes rechtes Handgelenk und hielt die Waffen aneinander gedrückt. Jeromes Füße rutschten auf dem weichen Gras, als Horace ihn vor sich her schob. Dann holte Horace zu einem letzten Schlag aus und schickte Jerome zu Boden.
Jerome hatte gesehen, was mit Bryn passiert war. Er wusste, dass Aufgeben nicht in Frage kam. Er rappelte sich wieder hoch und wehrte sich verzweifelt, als Horace nun seine eigene Attacke begann. Jerome wurde von einem Wirbelwind an Schlägen zurückgetrieben. Er schaffte es, manche abzuwehren, doch der unglaublichen Geschwindigkeit von Horace hatte er nichts entgegenzusetzen. Die Schläge trafen seine Schienbeine, Ellbogen und Schultern. Horace schien sich auf die knochigen Stellen zu konzentrieren, die am meisten schmerzten. Gelegentlich benutzte er die gerundete Spitze seines Schwertes, um es in Jeromes Rippen zu stoßen – nur fest genug, um ihm einen blauen Flecken zu verpassen, ohne irgendwelche Knochen zu brechen.
Schließlich hatte Jerome genug. Er drehte sich unter einem heftigen Schlag weg, ließ den Stock fallen und warf sich zu Boden, die Hände schützend über den Kopf erhoben. Sein Hinterteil war einladend in die Höhe gestreckt. Horace hielt inne und blickte fragend zu Walt. Der Waldläufer machte eine einladende Geste.
»Warum nicht?«, sagte er. »Er will es anscheinend nicht anders.«
Doch selbst er zuckte zusammen bei dem donnernden Schlag aufs Hinterteil, den Horace seinem Gegner verpasste. Jerome, mit dem Gesicht auf dem Boden, rutschte von der Wucht mindestens einen Meter weit über das Gras.
Walt nahm den Stock auf, den Jerome verloren hatte. Er studierte ihn einen Moment lang, prüfte sein Gewicht.
»Eigentlich wirklich keine besonders gute Waffe«, sagte er. »Man muss sich fragen, warum die drei sie gewählt haben.« Dann warf er den Stock zu Alda. »Na los«, befahl er.
Der einstige Anführer, der immer noch im Gras kauerte und seinen verletzten Knöchel hielt, sah ungläubig auf den Stock. Das Blut aus seiner anscheinend gebrochenen Nase war über sein Gesicht gelaufen und mittlerweile getrocknet. Er wird nie mehr der gleiche Schönling
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