Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)
Sinn. Merrick fiel zu Boden und weinte, erfüllt vom Glück eines Gläubigen, der am unwahrscheinlichsten Ort Offenbarung gefunden hatte.
Kapitel 19
Ein tiefer Blick
Sorcha öffnete ihr Zentrum. Merrick hatte etwas Eigenartiges über den Jungen Prätendenten gesagt, als sie sich das erste Mal getroffen hatten: »
Er strahlt
.«
Und das tat er. Das Flüstern durch die Verbindung, das er nicht hören konnte, gab ihr Kraft, half ihr, sich in einer Welt neu zu orientieren, die außer Kontrolle zu geraten schien.
Finde seine Schwester. Finde Merrick. Finde einen Mörder.
Als die Tür zum Audienzsaal hinter ihnen zuschlug, ließ der laute Knall Sorcha beinahe zusammenfahren. Raed war jedoch bereits in Bewegung. Seine Gefährten Tangyre und Isseriah kamen ihnen entgegen.
»Nehmt dies.« Raed drückte der älteren Frau das Siegel des Prinzen in die Hand. »Ich möchte, dass Ihr in seinen Harem geht und feststellt, ob meine Schwester dort ist. Sie ist es vermutlich nicht, aber ich muss mir sicher sein.«
»Wir brauchen das!«, platzte Sorcha heraus.
»Wirklich?« Raed grinste auf seine entwaffnende Art. »Wir haben deinen Orden, auf den wir uns verlassen können, und wie ich meine Höfe kenne, hat sich längst herumgesprochen, was der Prinz uns zu tun gebeten hat.«
Es kostete sie Kraft, ihr Zentrum so lange zu halten, und sie stellte fest, dass sie nicht stark genug war, um zu streiten.
»Mag sein.«
»Also, Isseriah.« Raed fasste den jungen Mann am Ellbogen. »Wir haben gestern Nacht einige Tunnel entdeckt. Ich will, dass Ihr feststellt, wo sie hinführen. Nehmt meine Mannschaft mit, aber seid vorsichtig.«
Sorcha hörte zu, während der Junge Prätendent ihnen erklärte, wie die Tunnel zu finden waren, in denen sie Merrick verloren hatten. Sie wusste, dass sie keine Spur von ihrem Partner entdecken würden, aber Raed hatte recht: Der Angreifer hatte die Gänge letzte Nacht benutzt, und sie mussten wissen, wohin sie führten.
Als er fertig war, hätten seine beiden Gefährten um ein Haar salutiert. Die Diakonin fragte sich kurz, welche Art Herrscher Raed abgegeben hätte – dann riss sie sich von diesem Gedanken los. Solche Überlegungen waren nicht nur dumm, sondern auch verräterisch.
»Dann suchen wir nun die Gemächer dieses Kanzlers auf.« Raed führte sie zum Westflügel des Palasts.
Sie eilten auf den Trakt zu, in dem die Bürokraten arbeiteten. Raeds Nähe lenkte sie ab und machte es ihr noch schwerer, ihr Zentrum zu halten. Sorcha wusste, dass sie es vermied, ihren Gefühlen für den Mann neben ihr einen Namen zu geben, aber sie konnte deren Stärke nicht so einfach ignorieren. Und das war typisch für ihr Leben. Nichts war je einfach.
Als sie die Treppe erreichten, die zu Chiomas wichtigsten Ratsmitgliedern und Bürokraten hinaufführte, beugte Raed sich zu ihr. »Sieh dich vor; gleich betreten wir eine Welt, in der es kaum Sauerstoff gibt – aber jede Menge heiße Luft.«
Sorcha verzog keine Miene und zeigte den Wachen am Fuß der Treppe ihr goldenes Ordensabzeichen. Der Junge Prätendent hatte recht: Sie wurden anstandslos durchgewunken.
Es war eine Willensanstrengung, nicht die glatten, geschwungenen Stufen zum Büro des Kanzlers im obersten Stockwerk hinaufzurennen. Sein Name stand an der Tür, und ein Wächter war draußen postiert. Diesmal brauchte Sorcha noch nicht einmal ihr Abzeichen vorzuzeigen; der Mann schloss die Tür auf und ließ sie mit einer Verbeugung ein.
»Sag ja nichts!«, flüsterte sie Raed zu und tat dabei knurrig.
Hinter der Zederntür fingen Sorchas verstärkte Sinne den Geruch auf, der nur von noch recht frischem Blut stammen konnte. Sie hörte Raed scharf einatmen und griff hinter sich, um eine Hand in seine zu legen.
Der Rossin. Sie hatte kein einziges Mal an den Geistherrn gedacht, seit sie den Jungen Prätendenten gesehen hatte, der sein irdischer Fokus war. Doch als Diakonin durfte sie nicht vergessen, dass er immer noch da war.
»Sehen wir uns um«, sagte Sorcha zuversichtlicher als ihr zumute war und wandte sich dem Schreibtisch zu, auf dem sich Papiere, Stifte und Rechnungsbücher türmten. »Hier dürfte ich deine Hilfe brauchen, um herauszufinden, was wichtig ist.«
Raeds Lippen zuckten. »Ich bin froh, diesem Aspekt des Herrschens entgangen zu sein.« Er stellte sich neben sie und sah zu Boden. »Und ich schätze, hier wurde der arme alte Mann getötet.«
Der Teppich war mit getrocknetem Blut getränkt, aber auch das Bücherregal hinter dem
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