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Die Saat der Erde Roman

Titel: Die Saat der Erde Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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besichtigt er die archäologische Ausgrabungsstätte, die ich besuchen wollte, bis einer von Kuros’ Assistenten mich
ganz höflich darauf hinwies, dass der Hohe Monitor als einziger Würdenträger aufzutreten gedenke, als ›Überbringer der Freundschaft der Hegemonie‹.«
    »Aber, Robert - du bist ja richtig verärgert«, sagte Harry mit einem verschmitzten Lächeln.
    Robert breitete die Arme aus. »Man sollte eigentlich meinen, ich hätte mich nach all den Begegnungen mit den Hegemonie-Vertretern inzwischen daran gewöhnt. Zumindest bleibt es mir so erspart, mir seine Reden anhören zu müssen.«
    »Ja - ich habe den Redetext gelesen«, sagte Harry, blätterte in den Papieren und nahm eine theatralische Pose ein. »›Über das unermessliche Sternenmeer der Galaxis und die Zeitläufte hinweg haben sich bestimmte Werte des Lebens und der Freiheit als beständig und unveränderlich erwiesen. Als demütiger Erbe dieser hochgeschätzten Werte ist die Sendruka-Hegemonie verantwortlich dafür, ihre Verbreitung in der vielgestaltigen Familie der intelligenten Wesen zu fördern. Wir heißen Sie in unserer großen Familie wie vor vielen Jahren Ihre Mitmenschen willkommen und laden Sie ein, der zivilisatorischen Werte teilhaftig zu werden und sich an ihrer Verbreitung zu beteiligen …‹« Harry schaute hoch und hob die Brauen. »Und so weiter, und so fort.«
    »Wie wird man diese Anhäufung von Platitüden wohl aufnehmen?«
    »Mit rauschendem Beifall«, antwortete Harry. »Immerhin stellt Starstream die einzige Quelle für interstellare Nachrichten dar, und die haben schon immer unsere hegemonialen Verbündeten unterstützt.«
    Robert nickte; auf einmal fühlte er sich lustlos und müde, Nacken und Rücken taten ihm weh, und Verzagtheit ergriff von ihm Besitz. Es war ein langer Tag gewesen,
und er war noch nicht vorbei. Er brauchte eine Pause, um seine Stimmung wieder zu heben.
    Er blickte aus dem Erkerfenster zum gleichmäßig grauen Himmel hinaus und sagte: »Harry, ich möchte eine Weile allein sein und vor dem Abendempfang ein bisschen entspannen. Okay?«
    »Natürlich, Robert. Sagen wir, in einer Stunde?«
    »Eine Stunde reicht.«
    »Also bis später.«
    Als Robert aufsah, war Harry verschwunden. Er erhob sich und trat durch die Tür. Vom holzgetäfelten Flur gingen seine Privaträume ab. Ein Zimmer hatte er mit einem reich verzierten altmodischen Schlüssel verschlossen, den man ihm bei der Hausübergabe ausgehändigt hatte. Er betrat das Schlafzimmer, schloss die Tür auf und trat hindurch.
    »Hi, Daddy - schön, dass du wieder da bist. Sieht so aus, als würd’s bald regnen.«
    Rosa stand am Fenster, ihre ein wenig geisterhafte Gestalt wirkte im Tageslicht eigentümlich körnig. Wie eine alte Fotografie des prädigitalen Zeitalters. Wie eine Erinnerung.
    »Es regnet häufig in dieser Gegend von Darien«, sagte er und nahm in einem Sessel Platz. »Was hast du heute gemacht?«
    »Ach, ich habe in meinem Buch gelesen und Radio gehört«, antwortete sie.
    Auf dem gemachten Bett lag ein durchscheinendes Buch, eine Projektion des Intersims, das in Schulterhöhe auf dem Kaminsims stand. Zwei dünne Kabel gingen von dem kleinen Gerät aus. Das eine führte zu einem Modul, das vom Hausnetz Strom abzapfte, das andere zu einem stiftgroßen Radio. Bei dem Buch handelte es sich vermutlich um Lewis Carrolls Alice hinter den Spiegeln oder Das Zeitalter der Propaganda von Nolan Chilcott, ihrem Lieblingsdissidenten-Schriftsteller.
Ihre graue Strickjacke und ihr langes blaues Wollkleid stammten aus einem sechs Jahre zurückliegenden Familienurlaub, doch die Kurzhaarfrisur und die Blumenohrringe waren so wie bei ihrer letzten Begegnung …
    Harry hätte vermutlich darauf hingewiesen, er ließe sich von der Überzeugungskraft des Holosims täuschen und einlullen, doch das störte ihn nicht. Er benutzte die detaillierte Nachahmung seiner Tochter dazu, den Schmerz zu lindern, der ihn immer noch quälte, und sich mit dem Verlust abzufinden. Harry lag falsch - er wusste genau, was wirklich war und was nicht.
    »Zwischen den Häusern sehe ich einen See, Wald und Berge«, sagte Rosa. »Das ist wunderschön.« Sie drehte sich zu ihm um. »Daddy, im Radio habe ich gehört, die Uvovo, die Mondleute, hätten mit Samen und Schösslingen ihrer Heimatwelt sogenannte Tochterwälder angelegt. Hast du schon einen gesehen? Ich hab gehört, sie würden nachts leuchten.«
    »Übermorgen werde ich einen solchen Wald in der Nähe des

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