Die Samenhändlerin (German Edition)
für Tag persönlich an die Kunden aus. Ich weiß wirklich nicht, was deine Fragerei soll! Was passt dir nicht an unserer Methode?«, setzte er ziemlich ungehalten hinzu. »Sollten wir deiner Meinung nach die schweren Kisten auf dem Rücken nach Böhmen schleppen und uns die Kosten für den Fuhrwerktransport sparen?«
»Emma hält es übrigens genauso«, warf Valentin ein. »Auch sie lässt ihre Ware direkt nach Schwäbisch Hall schicken und verteilt sie von dort aus. Die meisten Gönninger gehen so vor, außer denen, die im kleineren Stil handeln und ihre kompletten Sämereien im Zwerchsack mit sich tragen.«
Hannah winkte ab. »Die Ware reist also ohne euch. Ihr nehmt sie nur in Empfang, packt sie um und liefert sie aus«, wiederholte sie, wohl wissend, dass inzwischen jeder am Tisch sie für äußerst begriffsstutzig halten musste. »Bei eurem zweiten Besuch haltet ihr euch nicht mehr so lange bei den Kunden auf, oder?«
Helmut verdrehte die Augen. Es war Valentin, der antwortete:
»Im Frühjahr werden die Sämereien dringend für die Aussaat benötigt, der Boden muss bestellt, das Vieh auf die Weiden getrieben werden, da haben die Leute keine Zeit für langeGespräche, nicht einmal mit uns! Also liefern wir, kassieren und sind ganz bald wieder weg. Aber was willst du –«
Da! Da war er, der Gedanke! »Dann ist doch euer zweiter Besuch nur eine reine Formsache«, sprudelte es aus Hannah heraus, bevor der Gedanke ihr wieder entwischen konnte. Sie rutschte aufgeregt nach vorn. Sofort stieß ihr Bauch an der harten Tischkante an.
Triumphierend schaute sie in die Runde.
»Wir könnten die Bestellungen ebenso gut schon hier zu Hause abpacken und gleich mit der Post an die Kunden schicken! Oder mit einem Fuhrwerk! Das dauert nicht länger, als wenn ihr euch von einer Herberge aus zu Fuß auf den Weg macht. Stellt euch mal vor: Durch diese Methode würdet ihr ganze drei bis vier Monate Zeit gewinnen!«
Sprachlos schauten die Brüder sich an.
»Wie sollte das gehen, Kind? Hier in Gönningen gibt es doch nicht einmal eine Poststation.« Wilhelmines Ton war milde, als spreche sie mit einem verständnislosen Kind.
»Das macht doch nichts. Dann bringen wir eben die Päckchen nach Tübingen auf die Post, so wie das mit den Briefen auch geschieht. Und es wäre doch viel angenehmer, die einzelnen Bestellungen zu Hause in der Packstube fertig zu machen, als diese Arbeit in irgendeinem Wirtshaus zu erledigen.«
Helmut biss sich auf die Lippe. »Wenn ich daran denke, wie dumm wir manchmal angeschaut werden, wenn wir unsere Löffelchen auspacken und die einzelnen Sorten damit abmessen – besonders angenehm ist das wahrlich nicht. So gesehen … Allerdings … die Kosten! Ich meine, Pakete zu verschicken ist nicht gerade billig. Und dann noch die Kosten für das Packpapier …«
»Reisen kostet auch Geld«, erwiderte Valentin, noch bevor Hannah etwas sagen konnte. Sie triumphierte im Stillen.
Valentin schaute seinen Bruder mit einem durchdringendenBlick an. »Wenn man diesen Gedanken weiterspinnt … Du, das würde uns völlig neue Möglichkeiten eröffnen! Ich sage nur Russland …« Die letzten Worte waren kaum mehr als ein Raunen.
Helmut, der tief in Gedanken versunken auf seiner Unterlippe kaute, erstarrte. Blinzelte in Richtung seines Bruders. Ein listiges Funkeln trat in seine Augen.
»Wenn ich so darüber nachdenke … Eigentlich wäre Hannahs Vorschlag doch nur eine Weiterentwicklung unserer bisherigen Methode.«
Im nächsten Moment zog er Hannah zu sich heran und drückte ihr einen feuchten Kuss auf den Mund.
»Es wäre sicher nur noch eine Frage der Zeit gewesen, bis wir unser Verfahren selbst umgestellt hätten, nicht wahr, Valentin?« Zufrieden mit dem heftigen Nicken seines Bruders, fuhr Helmut fort: »Aber dass sich eine ›Dahergelaufene‹ so flink ins Geschäft hineindenken kann – alle Achtung!«
»Aber Helmut, du kannst doch nicht allen Ernstes über diesen Unsinn nachdenken. Schließlich –«, begann Wilhelmine, bevor sie von Hannah unterbrochen wurde.
»Warte nur ab, deine Dahergelaufene hat vielleicht noch viel mehr gute Ideen im Sack!« Sie aalte sich regelrecht in der Begeisterung der beiden Brüder. Seraphines düsteren Blick ignorierte sie. Die Schwägerin würde ihr noch dankbar sein! Schließlich würde auch sie von Hannahs Vorschlag profitieren, denn Valentin war dann genau wie Helmut länger zu Hause …
21
Es war ein sonniger Maientag. Seraphine hatte ihre
Weitere Kostenlose Bücher