Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers
Busch von den Neuerungen des iPhone 6 im Vergleich zum iPhone 5 erzählen.
»Mann Mann Mann«, fährt er fort, »ich hoffe doch aber, dass Sie für einen gewissen Grundluxus und ein gutes Unterhaltungsprogramm gesorgt haben, wenn Sie das zum ersten Mal machen. Und warum haben Sie eigentlich eine Maske auf?«
Das gilt mir. Um meine Identität so lange wie möglich geheim zu halten, habe ich mich für das Modischste entschieden, was ich aus dem Internet kenne: die klassische Vendetta-Variante, die Guy-Fawkes-Anonymous-Maske.
Herr Müller geht mit gutem Beispiel voran. Für den Empfang in Frankfurt hat er sich einen Schnurrbart angeklebt und eine dicke Hipster-Brille aufgesetzt. Jetzt entfernt er beides und nickt mir aufmunternd zu. Ich bin noch unschlüssig, ob ich so schnell Vertrauen fassen soll. Andererseits liegt da Günther Jauch, der vertrauenswürdigste Mensch der Welt.
»Ich habe Ihnen Erdbeerquark aus den Erdbeeren im Garten gemacht, Herr Jauch!«, lenkt Katja vom Thema ab.
»Na, das ist doch mal ein guter Anfang«, sagt er, »und schon haben wir einen Grund, mir die Handfesseln abzunehmen.«
Er reckt uns seine gefesselten Hände entgegen.
»Ich hole ein Messer!«, sagt der demaskierte Herr Müller spontan und erhebt sich. In anderen Situationen würde ich mir bei einer solchen Aussage Sorgen machen, aber ich bin erstaunlich ruhig. Ich begehe das erste Kapitalverbrechen meines Lebens, und alles ist so einfach und relaxt. Das liegt sicher auch daran, dass Herr Jauch so cool reagiert hat. Irgendwie hat er jetzt schon die Oberhand, die Moderation über die ganze Sache. Wenn es stimmt, was er sagt, ist er außerdem die Person hier im Raum mit der größten Erfahrung bezüglich einer Entführung von Günther Jauch.
»Machen wir einfach das Beste draus«, sagt er.
Herr Müller erscheint mit dem größten Messer aus unserem Messerblock wieder im Raum, und ich entscheide mich dafür, mein Gesicht zu entblößen. Es ist auch rein atmungstechnisch nicht sehr angenehm unter so einer Vollplastikmaske, wenn man sie länger als zehn Minuten trägt. Einer der Gründe, weshalb ich Karnevalsveranstaltungen nicht mag.
»Ich kenne Sie«, sagt Günther Jauch und verfällt, soweit es ihm möglich ist, in eine Nachdenkerpose. Er deutet mit seinen zusammengebundenen Händen auf mich, beide Zeigefinger ausgestreckt. »Sie waren doch neulich in meiner Sendung. Ha!«
Ha! Na toll. Möglicherweise verlief der ganze Vertrauensaufbau doch etwas zu schnell? War das doch alles nur Taktik, mit seinen früheren Entführungen und den Einlullungen, dass das alles ganz normal für ihn sei? Wollte er nur unsere Gesichter sehen, um sie später dem Zeichner der Phantombilder minutiös beschreiben zu können? Prima, dann haben wir es ihm gleich noch leichter gemacht. Jetzt kann er sich an meinen Namen erinnern oder ihn ohne Probleme rausfinden, und dann geht es in den Knast. Verdammt! Wir wollten doch keine Eskalation. Ich will doch nur mit ihm zusammen sein und eine Million dafür bekommen. Was für eine riesige Drecksidee, diese sanfte Entführung!
»Herr Müller!«, rufe ich panisch und will ihn so davon abhalten, Jauchs Fesseln zu öffnen. Wir brauchen erst eine neue Taktik.
»Man merkt wirklich, dass Sie Anfänger sind. Seien Sie beruhigt, ich sage es noch mal: Niemand hat ein Interesse daran, dass so eine kleine Entführung an die große Glocke gehängt wird. Ich erkläre Ihnen das gleich alles im Detail. Ich gebe Ihnen die Nummer der Entführungs-Hotline, die habe ich immer im Portemonnaie bei mir.«
»Krass«, ruft Katja, »eine Entführungs-Hotline«, und sie wedelt mit den Händen durch die Luft, wie es proseccotrinkende Damen oft tun, wenn sie sich zusammen über etwas freuen wollen und um lautstarke Zustimmung heischen. Herr Jauch straft sie wieder mit einem verächtlichen Blick ab.
»Nun bewahren Sie mal die Contenance, junge Dame, das ist alles Alltagsgeschäft. Aber«, er macht eine Kunstpause und mustert uns der Reihe nach, »es ist meines Wissens das erste Mal, dass ein früherer Kandidat aus der Sendung mich entführt. Da sind Sie Vorreiter.«
Das war ein Bonbon für Herrn Müller. Er war also doch der Erste mit der Idee, irgendwie. Ein erfülltes Lächeln setzt sich auf seinem Gesicht fest, während er verzückt und vorsichtig die Handfesseln durchschneidet.
»Ist es so angenehm?«, fragt er wie die Coiffeuse beim Haarewaschen vor dem Schneiden – nur dass er tatsächlich schon schneidet.
»Sie machen das gut«,
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