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Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers

Titel: Die sanfte Entfuehrung des Potsdamer Strumpftraegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ritter
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alles in Ordnung, morgen komme ich wieder.«
    Was soll das? Warum öffnet sie mir nicht?
    »Ich bin nur etwas«, sie hustet theatralisch, »erkältet.«
    Ich schweige. Ich begreife die Situation nicht.
    »Hören Sie? Ich huste. Ukhääärg. Gehen Sie einfach weg, sonst stecken Sie sich noch an.«
    »Frau Rottenbauer, ich bestehe darauf, dass Sie mir die Tür öffnen. Ich würde mich gerne davon überzeugen, dass Sie keinen Arzt brauchen.«
    »Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen Arzt gebraucht. In vierzig Jahren Büro war ich nicht einmal krank!«
    »Dann ist es umso schlimmer, wenn Ihr Körper nicht daran gewöhnt ist und noch nie Antiviren gebildet hat.«
    Das klang total überzeugend, finde ich, medizinisch fundiert. Sie muss mir öffnen. Ich muss rauskriegen, was hier nicht stimmt. Vielleicht sind Verbrecher im Haus, die sie festhalten. Krank ist sie jedenfalls nicht. Ich könnte auf meinem Handy schon mal eins eins wählen, und dann die Null gleich hinterher, wenn es nötig ist.
    »Ich gehe nicht weg, bevor ich Sie nicht gesehen habe.«
    »Sie sind ganz schön penetrant, Paul.«
    »Ich bin besorgt.«
    »Na gut, Sie dürfen mich anschauen. Aber nur kurz.«
    Der Schlüssel dreht sich, die Klinke neigt sich, die Tür öffnet sich langsam nach innen. Da steht sie – und wirkt alles andere als krank. Sie trägt eine eigenartige Kombination aus einem schicken, zweiteiligen Kostüm, blassgrün, und einer Küchenschürze mit aufgedruckten, gekreuzten Holzkochlöffeln. Dazu plüschige Hausschuhe in Karooptik. Sie fährt mit ihrer Scharade fort, sieht mich von zwanzig Zentimetern weiter unten direkt an und macht: »Ökhrööö.«
    »Ist wirklich alles in Ordnung, Frau Rottenbauer?«
    »Das sehen Sie doch«, sagt sie. »Nur eine kleine Erkältung. Alles in bester …«
    Ein spitzer Schrei aus dem hinteren Teil des Hauses unterbricht sie. Ein Damenschrei. Frau Rottenbauer verliert ihre immer rosigen Bäckchen und versteinert vor meinen Augen. Panik huscht ihr übers neue Kreidegesicht, während sie mich einfach weiter anstarrt. Vielleicht glaubt sie, ich hätte es nicht gehört.
    »Ursula«, ruft die Schreierin. »Ursula, ich komm mit dem Mehl nicht klar.«
    Eine sehr junge, sehr hohe Stimme. Gibt Frau Rottenbauer vielleicht einen Backkurs? Und schämt sich dafür? Wieso sollte sie sonst versucht haben, mich abzuwimmeln? Da ist doch absolut nichts dabei.
    »Wie Sie hören, muss ich weitermachen«, sagt sie sehr schnell. »Also dann morgen im Laden, nicht?!«
    Die junge Stimme habe ich schon mal irgendwo gehört. Frau Rottenbauer greift zur Tür und will sie schließen.
    »Ursula«, ruft es wieder.
    Ich strecke meinen Arm aus, um die Tür von ihrem und Frau Rottenbauers gemeinsamem Vorhaben abzuhalten, im Schloss zu landen und mir den Blick zu versperren. Ich habe die Stimme erkannt.
    »Ursula!«, ruft es.
    Ich halte die Tür auf.
    »Frau Rottenbauer«, sage ich.
    »Paul, gehen Sie jetzt bitte! Nehmen Sie die Hand da weg!«
    »Frau Rottenbauer, haben Sie da Heidi Klum in Ihrer Küche?«
    Donnerstag, 13.13
    »Schau mal, Ursula, der ist schon richtig hochgegangen«, sagt Heidi Klum und reibt heftig die Hände aneinander. Dabei blickt sie fasziniert in den Backofen. Eine gute Haltung hat sie. Ihre Beine und ihr Oberkörper bilden einen exakten rechten Winkel, während sie vornübergebeugt durch das Hitzefenster sieht. Die Knie keinen Millimeter angewinkelt. Das nenne ich Grazie!
    »Heidi ist immer so angetan vom Backen«, sagt Frau Rottenbauer und klappert mit ihrem Löffel beim Umrühren in ihrer Kaffeetasse herum.
    »Sie bleiben doch noch, bis wir den Apfelkuchen essen, Paul? Er muss danach noch ein paar Minuten aufs Fensterbrett, das reicht, um die Vanillesoße fertig zu machen.«
    »Vanillesoße!«, ruft Heidi Klum und klatscht aufgeregt in die Hände. »Ursula, ich liebe deine Vanillesoße! Und deinen Apfelkuchen!«
    »Nun setz dich doch zu uns, Heidi, du verbreitest schon wieder Unruhe«, weist Frau Rottenbauer sie an.
    »Ich bin eben ein aufgewecktes Mädchen«, sagt Heidi Klum, legt den Kopf schief, reißt ihre Augen auf, so weit es geht, und klimpert mit ihren Lidern wie der Kirchenorganist beim großen Auszug. Dann folgt sie Frau Rottenbauers Bitte und setzt sich zu uns an den Tisch. Mir kommt die Situation schon ganz normal vor. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Frau Rottenbauer Heidi Klum nicht nur zu Besuch, sondern auch entführt hat, aber ich wollte das Thema noch nicht ansprechen. Sie behaupten beide,

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