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Die Schatten schlafen nur

Die Schatten schlafen nur

Titel: Die Schatten schlafen nur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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provisorisch vor sich hin gelebt hatte, mit einer alten Matratze als Bett und ein paar wackeligen Möbeln, die niemand mehr haben wollte. Also hatte van Appeldorn sein Sparkonto aus Junggesellenzeiten geplündert, sich einen Transporter gemietet und war zu Ikea gefahren.
    In diesen 1 ½ ZKB war alles neu – und sehr unpersönlich gewesen, bis Ulli ihm auf die Sprünge geholfen hatte. Jetzt gab es hier Bilder und Vorhänge, einen Paravent um sein Bett, sogar ein paar Pflanzen, die ihm gefielen und die merkwürdigerweise gediehen, dabei hatte er überhaupt keine Ahnung von solchen Dingen. Das hatte er jedenfalls immer geglaubt.
    Ulli kam schon um Viertel nach elf. Obwohl sie einen Schlüssel hatte, klingelte sie. Das tat sie meistens.
    Er küsste sie ausgiebig. Sie reichte ihm gerade bis zur Schulter und ihr Haar war kürzer als seins.
    »Müde?«, fragte er, die Lippen an ihrem Mund.
    Sie bog den Kopf zurück. »Kein bisschen mehr, wenn du so guckst. Anna?«
    »Ist bis mindestens zwei Uhr weg.«
    Er hob sie hoch und sie schlang ihre Beine um seine Hüften und presste sich an ihn.
    »Hm«, wisperte sie und fuhr ihm mit der Zunge ins Ohr. »Höchst beeindruckend.«

    Später lagen sie auf seinem Bett.
    »Erzähl, wie ist das Bewerbungsgespräch gelaufen?«
    Sie rieb ihre Nase in seiner Achselhöhle. »Ich kriege die Stelle.«
    Van Appeldorn nickte – er hatte nichts anderes erwartet.
    Dann stützte er sich auf den Ellbogen und widmete sich ihren Brüsten.
    Sie keuchte. »Neben dir, und wenn du so weitermachst, gleich auf dir, liegt die neue Leiterin der Vorschule in Nierswalde.«
    »Nierswalde«, murmelte er. »Da war ich heute auch.«
    »Van Appeldorn?«
    »Hm?« Er schaute auf.
    »Ich liebe dich, weißt du das?«
    »Ja, das weiß ich. Und ich liebe dich, Beckmann … Ulli?«
    »Ja?«
    »Komm über mich.«

6
    Die Bürgerversammlung sollte um zwanzig Uhr beginnen.
    Astrid und van Appeldorn waren pünktlich, aber als sie an der alten Dorfschule ankamen, die heute den Gemeindesaal, zwei Vorschulklassen und Räume für die verschiedenen örtlichen Vereine beherbergte, war die Veranstaltung offenbar schon im Gange. Die Fenster waren erleuchtet, Stimmengemurmel drang nach draußen.
    Auf dem Fahrradständer neben dem Eingang saß Bruno Schlüter und rauchte.
    Astrid blieb vor ihm stehen. »Sieht ganz so aus, als wären wir zu spät. Guten Abend!«
    »Guten Abend. Sie sind überhaupt nicht zu spät. Aber bei denen gibt es nie eine Tagesordnung oder so etwas. Um zwanzig vor waren alle da, also haben sie angefangen.«
    »Scheint mir recht gesittet zuzugehen.« Van Appeldorn hatte durchs Fenster gelinst.
    »Das ist hier immer so.«
    »Und was tun Sie hier draußen? Wollten Sie nicht Rede und Antwort stehen?«
    Schlüter machte eine wegwerfende Handbewegung. »Als Erstes haben die beiden Anwälte, die beauftragt waren, berichtet, dass mit dem Bau des Aussiedlerheimes alles rechtens und in Ordnung ist. Daraufhin habe ich mir erst mal ein Piepken genehmigt. Nicht, dass es daran irgendeinen Zweifel gegeben hätte! Was soll’s. Meine Frau macht sich bei solchen Veranstaltungen sowieso viel besser als ich. Mit Ihnen gehe ich aber gern wieder rein.« Er klopfte seine Pfeife an der Schuhsohle aus und verstaute sie in der Tasche seiner braunen Lederweste.
    »Was mir eben eingefallen ist«, meinte van Appeldorn. »Von wem haben Sie das Grundstück damals eigentlich gekauft?«
    »Von der Kirche. War übrigens äußerst günstig.«
    »Und die wussten, was Sie vorhatten?«
    »Natürlich. Da sollte was Soziales hin, sonst hätte ich das Stück Land gar nicht gekriegt.«
    Sie blieben hinter der gläsernen Schwingtür zum Saal stehen, einem rechteckigen Raum mit kahlen, weiß gestrichenen Wänden. Nur an der Stirnseite hing ein schlichtes Kreuz aus hellem Eichenholz. Die Tische waren in einem Oval angeordnet, in der Mitte gähnte ein Loch, das unüberwindbar schien, weil die Gruppe der Anwesenden ziemlich groß war: vierzig bis fünfzig Leute, zwei Drittel davon Männer.
    Der Mann, der gerade sprach, hatte ihnen den Rücken zugewandt. Er schien um die passenden Worte zu ringen, denn sie sahen, wie er seine herabhängenden Hände immer wieder zu Fäusten ballte. »Es geht uns doch einzig und allein darum, dass die Anzahl der Leute zu groß ist«, hörten sie. »Zwischen fünfzig und hundert Menschen, die integriert werden müssen …«
    »Jelinek«, flüsterte Schlüter. »Auch ein Zugezogener, aber vor zwanzig Jahren schon. Hat sich gerade

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