Die Schatten von La Rochelle
nicht wegneh m en, denn er brauchte Louis zufrieden und ausgeglichen und nicht depressiv und wankel m ütig. Was also tun m it einem Favoriten, der auf den Gesch m ack der Macht gekommen war?
Er hatte natürlich sei n e ulti m ative Waffe, die Rücktritts dr ohung, die Louis bisher noch jedes m al zum Nachgeben veranlaßt hatte, aber nie m and wußte besser als Richeli e u, daß jedes m al, wenn er diese Waffe einsetzte, d i e Gefahr größer wurde, daß der König sein Rücktrittsangebot annah m .
Es hatte schlim m ere Zeiten gegeben. Bis zur Geburt des Dauphins vor zwei Jahren war Monsieur, der Bruder des Königs, der Thronfolger gewesen, und bei jeder Krankheit, die Louis in den letzten zwanzig Jah r en gepackt h a tte, stand Ri c helieu d a s Bild der e n dgülti g en Katastrophe vor Augen: Gaston d’Orléans als König. Zu m indest schien es jetzt, daß der er m üdende Kreislauf von Monsieurs Verschwörungen und Versöhnungen m it d e m König zu einem Ende gekom m en w a r. Gaston wußte, daß er nun nicht m ehr die letzte Hoffnung des Hauses Bourbon und der unentbehrliche Thronfolger war, dem m an a uch den schlim m sten V e rrat verzeihen m ußte, weil m an nicht auf ihn verzichten konnte.
Der Gedanke an Gaston brachte den Kardinal auf die andere Person, die fast zwei Dekaden lang seine Gegnerin gewesen war und die er m it entschieden anderen Augen ansah als Monsieur. Es w ar zwar unwahrscheinlich, daß C i nq Mars sich an sie wenden würde, sollte er ernstere Absichten haben, aber nicht un m öglich. Schließlich m ußte selbst Cinq Mars trotz m angelnder Italienischkenntnisse das Sprichwort schon gehört haben: Der Feind meines Feindes ist mein Freund.
Und alle W e lt wußte, daß die Königin seine Feindin war.
»Ihr m ogelt, Col m ardo«, sagte Mar i e gerade, und ihr Onkel sah sie an. »Col m a rdo« war der Spitzname, m it d e m m an in italienischen Klöstern den Mönch bezeichnete, d er die nie d rigsten Arbeiten verric h tete, weswegen der Kardinal ihn seinem prunkliebenden Giulio Mazzarini, der sich noch nicht ei n m al am Tag, an dem er die niederen Gelübde abgelegt hatte, zu einer Tonsur hatte entschließen können, verliehen hatte. Marie verhi e lt sich sonst gutaussehenden Männern gegenüber sehr zurückhaltend und m i ßtrauisch, ein Ver m ächtnis des unbetrauerten Sieur de Co m bale t , wie Richelieu ver m utete. Daß sie so unbefangen m it seinem Protege u m ging, zeugte von Giulio Mazzarinis unleugbarem Cha r m e, den der Kardinal selbst zu spüren bekommen hatte.
Ihre erste B egegnung in Lyon fiel ihm ein. Er hatte bereits nach den ersten zehn Minuten gewußt, daß er in allen Punkten anderer Meinung als der junge Abgesandte d e s Papstes gewesen war, daß die Bedingungen unannehmbar waren, aber er hatte ihm trotzdem noch geschlagene zwei Stunden zugehört.
Richelieu w artete, b i s d as Spiel beendet war und Marie ihre Schulden bezahlt hatte. » Ihr seid der einzige Mann, den ich kenne«, sagte sie zu Mazzarini, »der keine Skrupel hat, von einer D a m e einen Ring als Spielschuld einzufordern.«
»Euer A m ethyst ist m ir schon im m e r ins Auge gestochen«, entgegnete Giulio Mazzarini offen, ließ sich den Ring aushändigen und betrachtete ihn liebevoll.
»Co l m ardo«, sagte der Kardinal u n ver m ittelt, » seid Ihr je der Königin vorgestellt worden ? «
Sein Mitar b eit e r z u ckte die Achs el n. »Bei dem offiziellen Empfang der Botscha f ter vor ein paar Jahren, glaube ich.«
»An einen offiziellen Em pfang hatte ich nicht gedacht.«
Abrupt stand der Kardinal auf. Er warf einen bedauernden Blick auf das war m e K a m i nf e uer, dann m e inte e r : » N ichte, Giuli o , m acht Euch bereit. W i r werden heute noch nach Paris zurückkehren.«
»Sofort ? « Marie runzelte die Stirn. Sie m achte sich Sorgen um ihn; er hatte in der letzten Zeit Schwierigkeiten, den rechten Arm zu bewegen, und wenn er in Paris war, dann neigte er dazu, selbst zu schreiben, statt zu diktieren. Er p f legte zu sagen, das Schreiben als bloße Tätigkeit helfe ihm, seine Gedanken zu ordnen, und nirgendwo bedürfe er der Ordnung m ehr als dort.
»Sofort.«
Es war lange her, daß die König i n an sich als Doña Aña gedacht hatte, aber zu keiner J a h reszeit fühlte sie s i ch mehr als Spa n ierin als im tiefsten W i nter, zu Weihnachten, das in Frankreich nicht gefeiert wurde. Statt dessen beging m an d e n Dreikönigstag f e stlich, und sie konnte dann ein leises Heimweh nicht
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