Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schatten von La Rochelle

Die Schatten von La Rochelle

Titel: Die Schatten von La Rochelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
glauben m achen wollt?«
    Ihre Ha u t w ar kalt, aber sie erwär m te sich rasch. Die Augen in der roten Maske blieben fest auf ihn gerichtet.
    » W enn Ihr nicht Angst hättet, ich könnte es tun, dann wärt Ihr zu m i r gekom m en, Mons i eur.«
    Dann nahm sie ihre Maske ab. Etwas in ihm dachte verwundert: W i e schön si e ist. Aber was war neu daran? Er hatte ihr Gesicht nun schon lange vor sich gesehen, sich jeden einzelnen Zug eingeprägt, wie er es bei seinen Z i elen im m er tat. Nur war d i eses kein Z i el wie jedes an d ere. Sollte es tat s ächlich m öglich sein, daß ihr Selbstbewußtsein, echt oder gespielt, sich auf ein Korn Wahrheit stützte?
    Die Ader unter seinen Fingern po c hte. So fragil, so dünn, dieser Stro m , der die Me n sc h en am Leben hielt. W i e hatte sie es ausgedrückt? Sunt lacrimae rerum, et mentem mortalia tangunt.
    Es spielte k e ine Rolle, n a türlich spielte es keine R olle, wic h tig war, die Geschehnisse weiterhin in der Hand zu behalten. W arum dann diese Überraschung, als sie m it ihr e n Lippen seinen Mund berührte, sachte, s ch e u, völlig o h ne die Selb s tsic h erh e it, die sie son s t im m er zeigte? Als wäre es, dachte er ungläubig, als wäre es ihr erster Kuß, aber wie ka n n das sei n ?
    Seine Hand glitt unter ihren Kopf, vergrub sich in ihrem Haar, er erwiderte ihren Kuß und wußte selbst nicht, ob er ihr Sch m erzen zufügen oder sie heilen wollte. Die B arrieren, die Barrieren gegen die Vergangenheit wurden durchlässig, und das war gefährlich, aber er konnte nicht m ehr aufhören. Ma r i e, marié, la mer: La Rochelle.
     

VI
DIE V ERGANGENHEI T : PAUL
      
      
     
    Das Gesetz ist stärker als die schei n bare Gerec h tigkeit.
      
    Jean Bodin: Über den Staat
     
      
      
    Wir beide, du und ich, sind bis auf den Tod verletzt.
      
    Pierre Cor n eille: Der Cid
     

24. KAPITEL
     
    »So, Messieurs«, sa g t e Philippe d ’Irsd m asens abschließend, »ist die Lage. Ihr versteht nun, warum m ein Cousin Rohan Euch keine m ilitäri s che Unterstützung zukom m en lassen kann, abgesehen von dem Trupp, den wir m itgebracht haben.«
    Die Ratsherren von La Rochelle w e chselten Blicke. Paul, der seinen Vater begleitet hatte, starr t e zum Fenster hinaus und wünschte sich, sie würden endlich zur S ache kom m en. Regen peitschte m i t einer W ucht gegen die Scheiben, welche die Jahreszeit verleugnete. Es war bestimmt der k ü hlste Sommer seit Menschengedenken, dachte Paul, und es sah so aus, als ob der Herbst auch nicht viel besser würde.
    »Ihr habt es alle gehört«, ergriff der Bürger m eister nun das W ort.
    »Bis Monseigneur de R ohan den Fürsten Condé besiegt hat, können wir m it keinerl e i Unt er stützung r ec hnen. W ir müssen uns also j e t z t endgültig entscheiden, ob wir uns auf die Engländer verlassen und ihnen offen helfen sollen oder nicht. Die Botscha f t des Kardinals h a t keinen Zweifel daran gelassen, daß er eine weitere Duldung der Engländer vor und in unseren Mauern als offene Rebellion g egen den König ansehen wird.«
    »Eine Kleinigkeit habt Ihr dab e i vergessen zu erwähnen, Godefroy«, sagte Jean Guiton sarkasti s ch. » W enn wir die Hilfe der Engländer z u r ü ckweisen u nd uns Seiner Unheili g en E m inenz beugen, dann m üss e n wir außerdem einen königlichen Intendanten in Kauf neh m en, der in Zukunft über uns R echt sprechen wird, alle unsere neuen Festungswerke schleifen und uns in unsere alten Mauern von 1560 zurückziehen. Mit einem Wort, die alte Freiheit von La Rochelle aufgeben. W ollen wir das etwa?«
    Godefroy, der im Gegensatz zu dem seeund kriegserfahrenen Guiton sein Leben als friedlicher Kauf m ann verbracht hatte, entgegnete unglücklich: »Nein. Aber wo l l en wir gegen den Sohn unseres guten Königs Henri rebellieren, un s eren recht m äßigen Herr s cher?«
    Pauls Sinn für Ironie war ang e sprochen, und er konnte ein Quentchen Mitleid für Godefroy erübrig e n, auch wenn für ihn die Lösung klar auf der Hand lag und er d e n Bürger m eister m it der Ungeduld seiner Jugend für ein altes W aschweib hielt.
    Die Situation zwischen den Bewohnern von La Rochelle und dem König hatte sich s t etig v erschlec h tert, seit der Kardinal unangefochtener Erster Minister geworden war und sich immer deutlicher herausstellte, daß er m it freien Stä d ten genausowenig im Sinn hatte wie m it eigenwilligen Adli g en und souveränen Prinzen von Geblüt. Doch m it d e m Entschluß des

Weitere Kostenlose Bücher