Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
Halbdunkel verborgen, betrachtete Dubhe Volcos Leiche, die im Abendwind hin und her schaukelte. Sein Kopf stak auf einer an der Umfassungsmauer befestigten Lanzenspitze, während sein Körper, an den Füßen aufgehängt, an einem Seil baumelte. Dies war die Bestrafung, die Verrätern zukam. Dohor hatte Befehl gegeben, ihre Leichen an mehreren Punkten der Stadt zur Schau zu stellen, als makabre Warnung an jeden, der mit dem Gedanken spielte, sich gegen seinen König aufzulehnen.
Doch Dubhe ließ sich nicht einschüchtern. Sie warf eine Kralle über jene Mauer, die sie bereits bei ihrer Flucht aus dem Palastgarten überwunden hatte, und kletterte lautlos hinüber. Auf der anderen Seite angekommen, versteckte sie sich hinter einem Busch und wartete, bis der Wachsoldat auf seiner Runde an ihr vorbei war. Hier im Garten waren alle Spuren der Revolte getilgt worden. Sogar das Gras hatte man abgewaschen, um das Blut zu beseitigen, das in so großer Menge die Erde getränkt hatte. Bei der Erinnerung lief Dubhe ein Schauer über den Rücken. Sie war froh, dass sie an der Mauer nicht die verstümmelten Leichen von Theana und Learco entdeckt hatte. Den Schmerz hätte sie nicht ertragen. Und deswegen hatte sie sich auch zum Handeln entschlossen.
Zunächst hatte sie sich umgehört, bis sie herausgefunden hatte, was sie wissen musste. So hatte sie erfahren, dass die wichtigsten Gefangenen in die Verliese der Akademie gebracht worden waren, weil es im Palast nicht genügend Zellen gab, und der König Befehl gegeben hatte, alle zu verhören, bevor sie hingerichtet wurden. Dubhe allerdings kannte die Akademie nicht und brauchte Informationen, um in diesem riesigen Gebäude nicht hilflos umherzuirren. Deshalb war sie noch einmal in den Palast zurückgekehrt, denn sie hatte gehört, dass der oberste Kerkermeister der Akademie dort hinbestellt worden war, um neue Befehle direkt vom König in Empfang zu nehmen. Offenbar plante Dohor, weitere Häftlinge in die Verliese zu schaffen, um sie dort foltern zu lassen. Vielleicht konnte sie auf diesem Weg mehr erfahren.
Kaum war die Wache vorüber, huschte sie nun durch den Garten und erreichte den Laubengang. Dies war der Ort, wo sie zum letzten Mal Learcos Blick gesehen hatte, und sofort krampfte sich ihr Herz zusammen. Sie atmete einmal tief durch und versuchte, den Gedanken zu verdrängen. Wenn sie jetzt die Konzentration verlor, war alles zu spät. Sie wartete noch einen Moment, brach dann das Schloss auf und war drinnen.
Das schwache Licht ihrer Fackel erhellte kaum den Korridor. Es war völlig still, und sie nahm an, dass auch Dohor jetzt seelenruhig in einem seiner oberen Gemächer schlief. Bei diesem Gedanken schwindelte ihr, und die Bestie begann sich zu regen. Seltsam, denn erst vier Tage waren seit der letzten Auffrischung des Schutzrituals vergangen, aber offenbar verlor auch dieses Mittel schon langsam seine Wirkung. Auch deshalb musste sie Theana retten und sie noch einmal anflehen, unbedingt eine andere Lösung zu finden. Und auch um ihre Tarnung musste sie sich kümmern, denn mittlerweile waren ihre Haare wieder merklich dunkler und kürzer geworden.
Während diese Gedanken ihre Schläfen zum Pochen brachten, näherte sie sich mit entschlossenen Schritten den herrschaftlichen Gemächern. Als sie in den nächsten Gang einbog, kam ihr plötzlich ein Mann entgegen, der ein mächtiges Schlüsselbund am Gürtel trug. Vielleicht war dies der oberste Kerkermeister. Rasch zog sie den Kopf zurück und entfernte sich dann weiter, um ihm an einer passenden Stelle aufzulauern.
Am Nachmittag hatte sich Dubhe noch alles besorgt, was sie für ihr Vorhaben brauchte. Vor allem Einbruchswerkzeug, wie sie es früher für ihre Arbeit gebraucht hatte und mit dem sie aus jedem Gefängnis hätte entfliehen können. Doch nun ging es darum, in eines hineinzugelangen.
Danach hatte sie auf einen Sprung bei ihrem alten Gifthändler und Hehler Tori vorbeigeschaut. Kaum hatte der Gnom sie, ihrer Tarnung zum Trotz, erkannt, verrammelte er rasch seinen Laden, damit niemand sie sehen konnte. Denn die Schattenkämpferin wurde gesucht, und er wollte nicht Gefahr laufen, sich der Mittäterschaft schuldig zu machen.
»Hör mal zu, Dubhe, ich will keinen Ärger«, sagte er, noch bevor sie ein Wort herausbringen konnte. »Bisher haben mich die Soldaten in Ruhe gelassen, weil ich mich unauffällig verhalten habe. Deshalb solltest du gar nicht hier sein.« Dubhe ließ sich nicht einschüchtern und legte ihm
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