Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
täglich Blut und abgetrennte Gliedmaßen, bat er den Gestank von Tod und Verwesung in der Nase. Und er selbst ist immer mittendrin, immer im Rücken dieses Onkels, der ihn in jedem Augenblick zu Rachsucht und Grausamkeit anstachelt. Sie haben keine Angst, dass er verwundet werden, dass er fallen könnte. Wie einen beliebigen Fußsoldaten werfen sie ihn ins Getümmel. Dass er bis jetzt immer mit dem Leben davongekommen ist, hat er auch einigen seiner Kameraden zu verdanken, die in der Schlacht an seiner Seite bleiben und für ihn töten. Zwei Monate, und immer noch kann er von sich sagen, dass er niemanden getötet hat.
Learco weiß, dass sein Vater wieder enttäuscht von ihm sein wird, weiß, dass dieser die Erbarmungslosigkeit eines Mörders von ihm erwartet. Er ist dreizehn Jahre alt, hat aber schon begriffen, dass die Grundmauern großer Reiche aus Knochen errichtet werden und der Mörtel das Blut unzähliger gefallener Männer ist. Aber er kann nicht. Er will nicht. Forra bestraft ihn für jedes Versagen. Fünfzig Peitschenhiebe jedes Mal, die seinen Rücken mit blutigen Striemen überziehen.
»Ich will, dass du immer der Erste bist in der Schlacht, verstanden?«
Eine endlose Leier, die mit der gleichen Brutalität in seinen Kopf eindringt, wie die Peitsche seine Haut aufreißt. Und schließlich dieser Tag.
»Heute haben wir ein paar Rebellen zu töten. Ich will, dass du dabei bist.« Learco hat den Kopf gesenkt. Nicht zum ersten Mal wohnt er einer Exekution bei. In den zurückliegenden Monaten hat es schon mehrere gegeben, aber er hat sich nie daran gewöhnt. Er schließt immer die Augen, wenn das Schwert niederfährt, und in diesem Moment steigert das plötzliche Aufheulen der Zuschauer seine Qual. Aber er bat keine Wahl. Wortlos folgt er Forra Zum Schauplatz der Hinrichtungen.
Unerbittlich senkt sich das Schwert auf die Nacken von fünf armen Teufeln. Jetzt bleibt noch der letzte, der alte Mann.
»Den übernimmst du.«
Die Worte des Onkels hallen ihm drohend durch den Schädel. »Aber ich . . . « »Du wirst niemals ein Mann werden, und erst recht kein Soldat, solange du nicht wirklich getötet hast.«
Wie in einem Traum lässt sich Learco auf das Holzgerüst führen. Man hat ihm das Schwert in die Hand gedrückt, das der Henker üblicherweise für Exekutionen benutzt, ein Schwert, in das wenige, aber bedeutungsvolle Verse eingraviert sind. »Nehmt auf, ihr Götter, die Seele dieses Mannes, welchen ich nun töten werde.«
Er blickt nicht auf die Klinge. Er blickt in die entsetzten Augen des Alten und empfindet Mitleid.
»Ich will nicht«, murmelt er da an Forra gewandt. Er weiß, dass der Onkel kein barmherziger Mensch ist, aber er ist überzeugt, dass sein Blick in diesem Moment sogar seinen Vater erweichen könnte.
»Tu es!«
»Ich bitte Euch . . . « »Los jetzt!«
Learco spürt die Blicke der Menge, die erwartungsvoll auf ihn gerichtet sind. Der Henker stößt den Alten auf die Knie, zwingt ihn, den Kopf auf den Hauklotz Zu legen. Der Mann beginnt zu kreischen wie ein Kalb, und seine Schreie lassen die Hand des Prinzen noch weiter erlahmen. Dieser Greis hat ihm nichts getan, und nun kniet er da und wartet auf ein Los, das er nicht verdient bat. »Nein, ich kann nicht, unmöglich«, schafft er schließlich zu sagen.
Ein Tritt ins Kreuz schleudert ihn zu Boden. Die kalte Klinge an seiner Haut beißt sich mit dem warmen Blut, das aus seiner aufgeschürften Wange dringt.
»Tu es!«
Forras Worte tönen so endgültig, dass er sich unmöglich entziehen kann. Learco weint lautlos. Greift zu dem Schwert. Stemmt sich hoch. Der Greis bettelt um Gnade, kreischt wieder. Und Learco findet nicht den Mut, Zur Tat zu schreiten. Da packt ihn Forra, zerrt ihn zu sich heran, nimmt seine Hände und presst ihm das Heft des Schwertes so fest hinein, dass es wehtut. Zusammen holen sie zum Schlag aus, doch Learco allein lässt das Schwert auf den Hals des Opfers niederfahren. Er kann nichts dagegen tun, das Schwert ist zu schwer und stürzt hernieder. Um es nicht mit ansehen Zu müssen, kneift er die Augen zu, doch im selben Moment, da er spürt, wie die Klinge das Fleisch durchdringt, weiß er, dass er von nun an nicht mehr derselbe sein wird. Diese Hinrichtung bedeutet das Ende seiner Kindheit.
Die Peitsche.
Ein Hieb, fünf, zehn.
Learco nimmt sie freudig hin. Er versucht, nicht das leiseste Stöhnen von sich zu geben, und ist überzeugt, dass er die Peitsche verdient hat. Er hat einen Entschluss gefasst: Er
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