Die Schattenkämpfer 3 - Der Fluch der Assassinen
hatte diesen Unterricht wirklich satt. Allein lernte er viel mehr als bei diesem vermoderten Alten. Es war seltsam, bis vor wenigen Monaten noch erfüllten ihn seine magischen Fähigkeiten mit Schrecken, nun jedoch riefen sie Stolz und Interesse in ihm wach. Er war stark, das spürte er. Er beherrschte schon einiges, woran sich auch sein Großvater in jungen Jahren versucht hatte, andere Zauber stammten sogar aus der Praxis des Tyrannen. Gewiss war dies nicht die passende Richtschnur, aber in erster Linie war Aster ja ein exzellenter Magier gewesen. Dass er seine Kräfte dann für das Böse genutzt hatte, war eine andere Sache - hatte sogar Ido gesagt.
San lenkte seine Schritte zur Bibliothek. Üblicherweise legte er diesen Weg nachts zurück, wobei er gut aufpasste, von niemandem gesehen zu werden. Ohne Hast trat er über die Schwelle. Wachen waren hier nie zu sehen. Aber er hatte ohnehin freien Zugang, ein Vorrecht, das ihm Gräfin Ondine gern eingeräumt hatte. Darüber hinaus nutzte eigentlich nur sie selbst diese Einrichtung. Dort hatte sie zahlreiche Werke zur Geschichte Zalenias zusammengetragen, jedoch auch eine ganze Reihe von Büchern, die von der Aufgetauchten Welt und der dortigen Magie handelten.
»Du kannst dir dort jederzeit Bücher aussuchen«, hatte sie zu ihm gesagt. »Du wirst sehen, Lesen ist Balsam für eine wunde Seele.«
Und in einem gewissen Sinn stimmte das auch. Er nutzte die Bücher, um die Wunden seines Geistes zu heilen. Vielleicht aber nicht nur in dem Sinn, den Ondine meinte.
Sicheren Schritts bewegte er sich zu der Abteilung, die ihn besonders interessierte. Erst kürzlich hatte er sie entdeckt und suchte sie seitdem immer wieder auf. Stunde und Stunde verbrachte er dort, während er eigentlich hätte schlafen sollen.
Vor zwei Regalen aus schwerem Ebenholz, die bis zur Decke reichten, blieb er stehen. Stets schlug sein Herz ein wenig schneller, wenn er sie sah. Sie quollen über von schwarzen Bänden, und eben dies war auch der Grund, weshalb er auf sie aufmerksam geworden war.
Als Erstes hatte er ein historisches Buch gelesen: Asters Biografie, von einem anonymen Autor, der sich nur »der Hofsänger« nannte, als Epos gedichtet. Es hatte San sogleich in seinen Bann gezogen, und wie von selbst verglich er sein eigenes Können mit den magischen Künsten des Tyrannen, der, kaum älter als ein Säugling, bei seiner Mutter eine Wunde geheilt hatte.
Nein, so was habe ich nicht geschafft, musste San sich mit Bedauern eingestehen. Oder vielleicht hat mein Vater es mir auch nur nicht gesagt, weil ihm meine Fähigkeiten immer ein Dorn im Auge waren, tröstete er sich mit einem leichten Anflug von Hochmut.
Er las vom Wirken Asters im Land der Nacht und wie er dem bettelarmen Volk geholfen habe, indem er essbare Pflanzen auf Feldern wachsen ließ, die nie einen Sonnenstrahl sahen, und war beeindruckt, als er von Asters gren zenloser Leidenschaft für die Gerechtigkeit erfuhr, von seinem Verlangen, die Welt besser zu machen. Er vernahm einen Widerhall im eigenen Herzen. Gewiss waren seine eigenen Ziele sehr viel bescheidener: Den Tod seiner Eltern zu rächen, das war ein Gedanke, der ihn immer häufiger beschäftigte. Ach, nur ein Hirngespinst, sagte er sich dann. Aber wenn er mit Ido kämpfte, stellte er sich vor, er sei ein großer Krieger, ein Drachenritter vielleicht, und würde ins Land der Nacht fliegen, zu diesem Tempel, den er sich so schauerlich ausmalte, und dort ganz allein die Sekte der Assassinen vernichten. Manchmal dachte er auch während des langweiligen Unterrichts bei Quar darüber nach, seine magischen Kräfte einzusetzen, um seine Feinde auszulöschen, vor allem Sherva zu töten, den Mann, der seinen Vater und seine Mutter umgebracht hatte. Ein seltsam süßer Gedanke, der die Schreie zum Verstummen brachte, die er sonst häufig in seinem Herzen vernahm.
Als Nächstes hatte er dann mehr über Elfen gelesen, antike Sagen, die von ihren grausamen Kriegen handelten, vor allem aber über ihre Magie. Eine ganz besondere Magie schien das zu sein, die Quar niemals erwähnte. Eine Magie, die nichts mit Naturgeistern oder solchem Zeugs zu tun hatte. Nein, dies war eine Magie, die die Natur dem eigenen Willen unterwarf und wahre Wunder bewirkte. Es war faszinierend.
An diesem Tag nun ließ San wieder den Blick an der Reihe mit den schwarzen Bänden entlanggleiten. Einige davon hatte er bereits gelesen, doch an diesem Nachmittag suchte er etwas ganz Besonderes. Da fiel ihm ein
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