Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
schießt über ihre Wange. Er springt auf Naitos Lippen über und zuckt dann über seinen Hals, um in seinem Hemdkragen zu verschwinden.
Als ich die Edarratae beobachte, die über ihre Haut zucken, wird mir bewusst, wie kühl es im Wohnzimmer ist. Ich sehe zur Couch hinüber, aber Aren ist nicht mehr da. Nur Lena sitzt noch dort. Sie zuckt nicht mal, obwohl sich Naito und Kelia direkt in ihrem Rücken küssen, sondern starrt die gekachelte Platte des Couchtisches an. Ausnahmsweise hasse ich sie nicht. Sie hat gerade ihren Bruder verloren, und ich fühle mich hundeelend, weil ich für die Leute gearbeitet habe, die ihn getötet haben.
Die Jalousie an der Hintertür klappert. Lorn knallt die Tür zu und seufzt theatralisch. »Könnt ihr beide euch in meiner Gegenwart bitte etwas zurückhalten? Ich bin auch nicht aus Stein.«
Naito und Kelia rücken voneinander ab. Einige Zentimeter zumindest.
Ich trinke den Schluck Wein aus, der noch in meinem Glas war, und stelle es dann auf die Küchentheke. Aren kommt durch den Flur mit Sosch auf der Schulter. Ich habe den Kimki nicht mehr gesehen, seitdem mich Aren in Deutschland durch das Tor gebracht hat, und ich freue mich, dass er hier ist, aber er wirkt ebenso müde und besiegt wie der Fae.
Arens Blick wandert von Naito und Kelia zu mir. Himmel, sieht er müde aus. Er hat weder geduscht noch sich ausgeruht. Dafür war keine Zeit. Er musste den ganzen Nachmittag Gespräche führen. Shyer war nicht der einzige Fae, der vorbeigekommen war, um sich Sethans Tod bestätigen zu lassen. Der Hof hat seinen Sieg im ganzen Reich verkündet, und jedes Mal, wenn die Nachricht weitergetragen wird, springen weitere Unterstützer der Rebellion ab. Schon bald wird von ihr nicht mehr viel übrig sein.
Aren setzt Sosch auf den Boden und lächelt mich müde an. Ich kann es nicht ertragen, den Fae so zu sehen.
»Kyol sagte, er würde mit dem König reden«, sage ich zu ihm. »Vielleicht ist Atroth jetzt bereit, über einen Waffenstillstand zu verhandeln.«
Offenbar habe ich das Falsche gesagt. Arens Gesicht bekommt einen harten Ausdruck. Er geht an mir vorbei, um sich neben Lena auf die Couch zu setzen.
Was ist? Darf ich Kyols Namen jetzt nicht mehr erwähnen? Mann! Aren sollte langsam über die Optionen nachdenken, die ihm noch bleiben. Auch nach Sethans Tod wird Radath nicht aufhören, die Rebellen zu jagen.
Lorn starrt mich an. Naito und Kelia tun es auch, aber nicht so offensichtlich.
»Setz dich, Lorn«, befiehlt Aren und nimmt einen Dolch, der noch in der Scheide steckt, vom Couchtisch. Er hält ihn am Griff fest, sodass die Klinge nach unten zeigt.
Ich runzle die Stirn, als Lorn hinübergeht und sich in einen Polstersessel fallen lässt. Als Naito und Kelia sich ebenfalls in einen Sessel setzen, lasse ich mich auf dem Boden vor dem Kamin nieder und schlinge die Arme um meine Knie.
»Wir müssen uns jemand anders suchen, der den Thron besteigen kann«, sagt Aren leise. »Einen Nachfahren, dessen Abstammung zweifelsfrei bestätigt ist.«
Aus irgendeinem Grund sehen alle Lorn an.
Er mustert sie und fängt dann an zu lachen. »Oh nein. Nicht ich. Ich bin zufrieden damit, das Reich aus den Schatten heraus zu regieren. Ich habe nicht das Verlangen, König zu werden.«
»Deine Blutlinie ist nach Sethans die reinste«, erklärt Aren. »Der Adel würde dich unterstützen.«
»Meine Blutlinie ist nach Sethans und Atroths die reinste«, entgegnet Lorn. »Außerdem würde mein Ruf der ganzen Rebellion schaden.«
Lena rutscht neben Aren ein Stück nach vorn. »Das halbe Reich weiß ohnehin schon, dass du uns geholfen hast«, sagt sie. Ihre Stimme klingt ausdruckslos, aber wenigstens ist sie hier und beteiligt sich an der Diskussion, und wenn sie sich für Lorn ausspricht, dann werden Sethans Unterstützer es vielleicht ebenfalls tun. Falls er sich dazu überreden lässt.
Er schüttelt den Kopf. »Nein, sie wissen, dass ich mit Kelia verbunden bin, und sie gilt in ihren Augen als Exzentrikerin.«
»Hey!«
»Das bist du, meine Liebe.« Er lächelt sie an. »Deine Faszination von allem, was menschlich ist, ist sehr unnatürlich.«
Sie verdreht die Augen, eine sehr menschliche Geste, die Lorns Argument nur bestätigt. Naito beugt sich vor und flüstert ihr etwas ins Ohr. Sie lacht und kuschelt sich an ihn.
Als ihre Edarratae an Naitos Arm hochwandern, prickelt meine Haut, und ich kann nicht anders, als Aren anzusehen. Er beobachtet mich. Er macht noch immer ein finsteres Gesicht, und
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