Die Schattenleserin - Nachtschwarze Träume: Roman (German Edition)
darauf und versuche, mich an Einzelheiten in den Schatten zu erinnern. Ich glaube, einen Obstgarten gesehen zu haben. Genau hier.
Ich markiere die Stelle, weiß aber nicht, ob sich Trev im Obstgarten oder eine halbe Meile weit entfernt im Haus des Farmers aufhält. Wo ist er? Wo?
Die Schatten helfen mir nicht weiter, und einen Augenblick später verschwinden sie aus meiner Erinnerung. Mist. Frustriert hämmere ich mit dem Stein auf den Obstgarten.
Augenblick mal. Ich konzentriere mich auf die Karte.
Ein Stein im Obstgarten.
Ja.
Ich hebe meinen Stein wieder auf und male ein X an den Rand des Obstgartens.
»Er ist hier.« Ich deute auf die Stelle. »In der Nähe von Carbada.«
Sobald ich den Namen der Stadt ausspreche, verschwindet Arens Grinsen. Ich weiß nicht, wer von uns erstaunter ist. Man kann ihm seine Verblüffung ansehen, aber ich bin wie vom Donner gerührt, da ich weiß, dass Trev an den Ort, der auf magische Weise in Arens Kopf verankert ist, nicht nur bis auf dreißig Meter herangekommen ist, er steht praktisch genau an der Stelle.
Heilige Scheiße, bin ich gut.
Ich entferne mich vom Picknicktisch und sage mit felsenfestem Blick und ein klein wenig Hochmut zu Aren: »Genau das bin ich wert.«
Er setzt Sosch auf den Boden. Das ganze Lager scheint schockiert zu sein, da niemand etwas sagt, nicht einmal Lena, die noch immer auf meine simple Karte starrt.
»Schönes Leben noch«, sage ich, drehe mich auf dem Absatz um und marschiere den schmalen Pfad entlang, auf dem wir hergekommen sind. Ich gehe aufrecht, das Haupt erhoben, aber eigentlich rechne ich damit, jeden Moment einen Dolch in den Rücken zu bekommen. Die ganze Zeit lausche ich nach dem Geräusch von Metall, das aus einer Scheide gezogen wird, aber ich höre nur den Wind, das Zirpen von Grillen und das Schlurfen von Schritten. Als ich den Waldrand beinahe erreicht habe, höre ich Arens Stimme.
»Haltet sie auf.«
Ich zucke zusammen, gehe aber weiter, bis sich mir ein Fae in den Weg stellt. Er greift nach meinem Arm, wagt es dann aber doch nicht, mich zu berühren. Ich kann ihm nicht weglaufen. Ich kann auch nicht gegen ihn kämpfen. Also stoße ich einen Seufzer aus und kehre zu Aren zurück.
Ich sehe ihm in die Augen. »Gut zu wissen, dass du ein Mann bist, der Wort hält.«
»Ich habe gesagt, dass ich dich freilassen werde, und das habe ich auch vor. Irgendwann.« Er hält inne und sieht mich mit seinen silbernen Augen an, als ob er nicht weiß, was er von mir halten soll. Ich mag es nicht, so gründlich gemustert zu werden, insbesondere dann nicht, wenn sich als Reaktion darauf irgendetwas in meiner Brust zusammenzieht. »Aber ich kann dich jetzt noch nicht gehen lassen. Insbesondere nicht, nachdem ich gesehen habe, wozu du fähig bist. Du bist unglaublich.« Der Ansatz eines Lächelns spielt um seinen Mund. »Tut mir leid, McKenzie, aber du musst bei uns bleiben, bis der Krieg zu Ende ist.«
»Dieser Krieg wird nie zu Ende sein.«
Er zuckt mit den Achseln. »Dann wirst du wohl noch eine Weile hierbleiben.« Dann sieht er den Fae an, der neben mir steht. »Bring sie auf ihr Zimmer, und dann such Sethan. Wir müssen reden.«
Aren wirft noch einen letzten Blick auf die Karte, die ich in den Picknicktisch geritzt habe, und schüttelt den Kopf, als könne er es noch immer nicht glauben.
»Aren«, rufe ich, als er langsam weggeht. Ich möchte eigentlich nicht mehr mit ihm reden, auch nicht mehr in seine silbernen Augen sehen, aber ich muss es wissen.
Er dreht sich um.
»Der Schwertmeister des Königs«, kriege ich trotz des dicken Kloßes in meiner Kehle heraus. »Er wird dich töten, weil du mich entführt hast.«
Falls Kyol tot ist, wird sich Aren zweifellos damit rühmen. Ich halte den Atem an, und mein Herz scheint tausendmal zu zerspringen und sich wieder zusammenzusetzen, während ich auf seine Antwort warte. Ich habe zu große Angst, um zu hoffen, bin aber zu verzweifelt, um es nicht zu tun. Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, neigt Aren anerkennend den Kopf.
»Das wird ein interessanter Kampf.«
4
S obald sich die Tür meines Zimmers schließt, verliere ich keine Zeit und zerre die Laken aus dem Bett. Ich teste, wie robust sie sind. Ober- und Unterlaken sind schäbig, aber nicht zu zerreißen. Ob sie mein Gewicht halten können, wird sich noch zeigen, aber ich werde hier nicht weitere zwölf Stunden allein mit meinen Gedanken herumsitzen.
Ich gehe zum Fenster. Am Himmel steht der helle Vollmond. Sein Licht fällt
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