Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
waren es tatsächlich nicht die Marsianer«, sagte sie leise. »Es war so, wie alle immer gesagt haben: Die gibt es gar nicht. Ich hab’s bloß geglaubt.«
Es klang bitter.
Gegen Mittag waren Professor Caphurna und Mrs Faggan zurück und bei Yin Chi, um Bericht zu erstatten. Dieser hatte Pigrato und – zu ihrer Verblüffung – Ariana mit dazu geladen.
»Die Frage ist«, sagte Yin Chi, nachdem er sich von Caphurna hatte beschreiben lassen, wie mühelos Christine Faggans Hand in den Turm eingedrungen war, »was wir jetzt konkret unternehmen. Ich sehe noch nicht, was es nützt, dass Mrs Faggan nun vermutlich imstande wäre, sich durch den kleinen Turm hindurch in die Station der Aliens zu begeben. Sie müsste, da wir über keine weiteren Artefakte verfügen, allein gehen – und dann? In der Station sind Roboter unterwegs, wie wir wissen. Und selbst wenn das nicht der Fall wäre, wüsste ich nicht, was sie dort ausrichten könnte.«
Christine Faggan riss die Augen auf. »Aber wir müssen etwas unternehmen!«, brach es aus ihr heraus. »Wenn auch nur die geringste Chance besteht, dass mein Mann noch lebt …«
»Ich fürchte, die Hinweise darauf sind mehr als dürftig«, wandt der Chinese bekümmert ein.
»Niemand kannte diesen Namen«, sagte sie und hob das Artefakt hoch. »Niemand.«
»Andererseits handelt es sich um ein gebräuchliches englisches Wort«, sagte Yin Chi.
Jorge Caphurna hob mahnend die Hand. »Die Artefakte, die die Passage freigeben, sind auf einzelne Personen abgestimmt, wie wir wissen, und dieses hier ist eindeutig für Mrs Faggan bestimmt. Das haben wir heute gesehen.«
Der kommissarische Statthalter stutzte. »Ja«, sagte er dann. »Da haben Sie auch wieder recht.«
»Auf sich beruhen lassen können wir die Sache auf keinen Fall«, meinte Pigrato entschieden. Bis vor Kurzem war er, wenn auch eher gegen seinen Willen, der Statthalter der Erdregierung auf dem Mars gewesen und das kam in diesem Moment wieder zum Vorschein. »Falls ein Mensch engen Kontakt mit den Aliens gehabt haben sollte, über Jahre hinweg womöglich, dann ist das ein Sachverhalt von elementarer Bedeutung für uns alle.«
Yin Chi nickte. »Ich überlege, ob –«
Sie sollten nie erfahren, was Yin Chi sich überlegt hatte, denn in diesem Moment wurde die Tür aufgerissen und Henry Lang platzte in die Runde. »Das müssen Sie sich ansehen!«, rief der Marsmeteorologe und Bildauswerter ohne ein Wort des Grußes, stürzte an den Bildschirm, den sie gerade eben ausgeschaltet hatten, und schaltete ihn wieder ein.
»Mister Lang«, sagte Yin Chi indigniert, »was, bitte, ist mit Ihnen los?«
Henry Lang wirkte eigentlich immer unrasiert und leicht ungepflegt, egal wann man ihn traf. Heute aber sah er selbst für seine Verhältnisse regelrecht verwüstet aus: Das Hemd klebte ihm am Körper, seine Haare schienen seit einer Woche keinen Kamm gesehen zu haben und die Ringe unter den Augen ließen vermuten, dass er nicht nur eine Nacht durchgearbeitet hatte.
»Erinnern Sie sich an die Aufnahmen von Ronnys Flug?«, sprudelte es aus ihm heraus. »Ich war mir so sicher, dass darin noch irgendetwas verborgen war, das ich übersehen hatte – irgendein Hinweis, ein Bild, eine Spur. Ich habe die letzten zwei Wochen damit verbracht, die Aufnahmen zu analysieren, habe mir jedes einzelne verdammte Bild vorgenommen und –« Sein Blick fiel auf Ariana. »’tschuldigung«, unterbrach er sich.
»Und?«, ermutigte ihn Pigrato.
Der Meteorologe schüttelte fahrig den Kopf. »Heute früh hat es mir keine Ruhe gelassen, ich musste aufstehen und noch einmal …« Er lachte auf. »Und dann ist mir eingefallen, dass ich dieses Gefühl schon vor Ronnys Flug gehabt habe! Was bin ich für ein Idiot gewesen! Die ganze Zeit hatte ich es vor der Nase, direkt vor der Nase …«
Er gab dem Interface ein paar hastige Kommandos und ein Bild erschien auf dem Schirm, das sie alle kannten: eines der Fotos, die Carl im Mausoleum der Aliens aufgenommen hatte.
»Das war es!«, rief Henry Lang aus. »Nicht der Film von Ronnys Flug. Sondern dieses Foto. Fällt Ihnen etwas auf?«
Sie waren aufgestanden und drängten sich nun hinter ihm, um das Bild noch einmal zu betrachten. Es zeigte eine weite, aus dem Fels geschmolzene Halle. Auf zahllosen dunklen, klobigen Maschinensockeln ruhten längliche Zylinder, vorne und hinten abgerundet und transparent, sodass man die Wesen sehen konnte, die darin lagen: riesige, etwa drei Meter lange Heuschrecken, dürr, mit
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