Die Schlucht
Vollkorntoast (den Paula lieber mochte) -, Rührei für sie beide, Frühstücksspeck und getoastete Muffins …
»Damit bekommen wir eine gute Grundlage für einen anstrengenden Tag«, sagte er, während er ihr noch einmal Kaffee nachgoss. »Und jetzt höre ich Ihnen zu.«
Während sie auf das Frühstück warteten, berichtete Paula Tweed von den Ereignissen des vorigen Abends. Sie erzählte knapp und präzise und ließ nichts aus, nicht einmal die für sie peinlichen Details. Tweed machte ein interessiertes Gesicht, aber als sie zitierte, was Neville Guile zu seinem Schergen gesagt hatte, presste er die Lippen zusammen und wandte den Kopf ab, damit Paula nicht die Wut in seinen Augen sehen konnte. Mach mit ihr, wozu du Lust hast, und wenn du mit ihr fertig bist, mach sie kalt und verscharr ihre Leiche irgendwo.
Tweed zündete sich eine Zigarette an, was er höchst selten tat, und als er Paula wieder ansah, war sein Gesicht wieder normal.
»Es tut mir so leid!«, sagte Paula, als sie mit ihrer Erzählung zu Ende war. »Ich hätte ein derartiges Risiko niemals eingehen dürfen …«
»Aber nein! Sie haben vollkommen richtig gehandelt!«, widersprach er ihr. »Ich predige doch ständig, dass jedes Mitglied unseres Teams selbstständig handeln soll, wenn es darauf ankommt. Genau das haben Sie getan. Sie haben sich dabei zwar in Gefahr gebracht, aber Sie haben auch bewiesen, dass Sie diese Gefahr durchaus zu meistern verstehen.«
»Vielen Dank«, sagte sie leise.
»Harry Butler hat ja dankenswerterweise schon dafür gesorgt, dass die Leiche Ihres Angreifers auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Er hat sie zusammen mit Archie MacBlade in den Schacht geworfen, in dem MacBlade eigentlich hätte sterben sollen. Dort findet sie niemand, und das ist gut so. Wir können es uns jetzt nicht leisten, in langwierige polizeiliche Untersuchungen verstrickt zu werden.« Tweed schenkte ihr noch etwas Kaffee nach. »Es dürfte Sie übrigens interessieren, dass Harry den Mann gekannt hat. Es war ein übler Gauner aus London, den Neville Guile als Mann fürs Grobe angeheuert hatte. Wie man sieht, hätte er vor Vergewaltigung und Mord nicht zurückgeschreckt. So, und jetzt muss ich Ihnen mal was erzählen …«
Er schilderte ihr in knappen Worten, was er tags zuvor von Falkirk erfahren hatte.
»Die Sache wird immer seltsamer«, sagte Paula. »Es sieht so aus, als würden hier in Gunners Gorge alle Fäden zusammenlaufen. Wir sind hergekommen, weil Harry Butler Dermot Falkirk hierher verfolgt hat, und kaum sind wir da, wird Hartland Trent ermordet, und wir finden heraus, dass auch die beiden Toten aus der Lynton Avenue ursprünglich von hier stammen und die Töchter von Lord Bullerton sind.« Sie hielt inne und sah Tweed fragend an, der aber nichts sagte.
»Doch das war noch nicht alles«, fuhr Paula fort. »Auf einmal taucht hier Neville Guile auf, der mit seinem Rolls-Royce an den Häusern der Ermordeten vorbeigefahren war. Wie passt das alles zusammen? Irgendwie ist dieses Gunners Gorge der Schlüssel zu allem, aber wir wissen noch nicht, in welches Schloss er passt.«
»Mir macht noch etwas ganz anderes Sorgen«, sagte Tweed. »Und zwar der Stollen, den Sie entdeckt haben. Ich frage mich, was der zu bedeuten hat und ob es im Black Gorse Moor noch mehr solcher Stollen gibt.«
Es klopfte an der Zimmertür, und die freundliche Kellnerin, die sie schon am Vortag bedient hatte, brachte ihnen das Frühstück. Als sie wieder gegangen war, ergriff Paula, nachdem sie eine Gabel von ihrem Rührei mit Frühstücksspeck probiert hatte, das Wort.
»Sie haben vorhin etwas von Noak Island erzählt«, sagte sie. »Ich erinnere mich gerade, dass ich vor ein paar Monaten etwas darüber in der Zeitung gelesen habe. Ein großer Öltanker soll in der Nähe der Insel verschwunden sein. Man munkelt, dass irgendwelche Piraten ihn gekapert haben.«
»Den Artikel habe ich auch gelesen.«
Tweed hörte auf zu reden, weil plötzlich jemand an die Tür klopfte. Er zog seine Walther, hielt sie aber hinter dem Rücken versteckt, als er die Tür öffnete. Draußen standen Archie MacBlade und Dermot Falkirk.
»Dürften wir vielleicht kurz mit Ihnen sprechen?«, fragte MacBlade mit einem freundlichen Lächeln.
»Aber sicher. Wenn es Sie nicht stört, dass Paula und ich gerade frühstücken, können Sie gern hereinkommen.«
Nachdem MacBlade Paula kurz zur Begrüßung umarmt und sie gefragt hatte, wie es ihr ging und ob sie sich gut erholt hätte, nahm er auf
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