Die Schnapsstadt
Das dürfte alles sein, was Sie über das Temperament der Bürger von Jiuguo wissen müssen. Um das Ganze noch klarer zu formulieren: Jiuguo, auch bekannt als «die Schnapsstadt», ist die Hauptstadt des Kreises Jiucheng, was auch nichts anderes bedeutet als «Schnapsstadt». Ich hoffe, mit dieser Erklärung alle Missverständnisse ausgeräumt zu haben.
Den Schnapsduft, der über Jiuguo liegt, kann man von jeder Seite her aus einer Entfernung von fünfzig Kilometer riechen, und selbst Menschen mit abgestumpftem Geruchssinn können die Stadt aus einer Entfernung von fünfundzwanzig Kilometer lokalisieren. Werfen Sie mir keine Hexerei vor, wenn ich verrate, dass Boeing-Maschinen, wenn sie Jiuguo überfliegen, in munterer und berauschter Unschuld einen Looping nach dem anderen fliegen, ohne dabei allerdings die Sicherheit der Passagiere zu gefährden. Genossen, meine Damen und Herren, liebe Freunde! Es besteht kein Grund zur Unruhe. In der Sicherheit Ihrer Flugzeuge gleichen Sie munteren niedlichen berauschten kleinen Welpen. Der wunderbare exotische Duft, der über der Stadt liegt, lädt Sie ein, einen der hinreißendsten Düfte der Welt wahrzunehmen, solange Sie Jiuguo überfliegen, und diese Erfahrung zu genießen.
Die Stadtverwaltung und das Parteihauptquartier liegen genau im Mittelpunkt von Jiuguo. Mitten auf dem Gelände des Parteihauptquartiers steht ein gewaltiges weißes Schnapsfass, und in der Mitte des Geländes der Stadtverwaltung hat man ein gewaltiges schwarzes Schnapsfass errichtet. Liebe Zuhörer! Verspüren Sie an dieser Stelle keinen Hauch von Sarkasmus, denn Sarkasmus gibt es hier nicht. Seit Beginn der Ära der Reformen und der Liberalisierung haben sich Parteikomitees und Regierungsstellen im ganzen Lande den Kopf zerbrochen, um den Lebensstandard der Bevölkerung so schnell wie möglich zu heben. Sie haben Vorschläge vorgelegt und Pläne entworfen, um die derzeitige örtliche Realität in die Parteilinie zu integrieren und operationalisierbare Szenarien und Projekte ins Leben zu rufen: Wer in den Bergen lebt, lebt von den Bergen; wer am Wasser lebt, lebt vom Wasser; wer in reizvoller Umgebung lebt, fördert den Fremdenverkehr; wo Tabak wächst, floriert die Tabakindustrie. So sind, seit der neue Wind nun schon seit mehr als einer Dekade weht, Städte entstanden wie die Geisterstadt, die Tabakstadt, die Feuerwerksstadt und andere. Und hier bei uns in der Schnapsstadt gibt es reichlich Schnaps von hervorragender Qualität. Das örtliche Parteikomitee und die Stadtverwaltung haben eine Brauereihochschule gegründet und planen ein Brennereimuseum, die Vergrößerung der vorhandenen zwanzig Brennereien und die Neugründung von drei Großbrennereien, in denen die Destillierkunst der Welt sich sammeln soll. Schnaps war der Motor, der uns bei der Entwicklung spezieller Dienstleistungen für männliche Besucher, dem Ausbau des Gastronomiesektors und der Zucht seltener Vögel und Tiere beflügelte. Heute schwebt Schnapsduft über jedem Winkel und jeder Ritze von Jiuguo. In Jiuguo gibt es Tausende von Restaurants und Gaststätten, deren helle Lichter Tag und Nacht über dem fröhlichen Klirren der Gläser leuchten. Die erstklassigen Schnäpse und hervorragenden Lebensmittel der Schnapsstadt ziehen Scharen von Besuchern an. Gourmets und Trinker aus dem In- und Ausland buchen Stadtrundfahrten, trinken und genießen unsere vorzügliche Küche. Doch unsere wichtigsten Besucher sind Getränkegroßhändler, die unseren erstklassigen Schnaps und seinen ausgezeichneten Ruf in alle vier Himmelsrichtungen tragen. Unser köstlicher Schnaps reist in alle Welt, und köstliche Devisen reisen zurück zu uns. In den letzten Jahren hat das Steueraufkommen von Jiuguo die Höhe von mehreren hunderttausend Yuan erreicht, was einen bedeutsamen Beitrag zum Wohl der Nation ausmacht, während gleichzeitig der Lebensstandard unserer Bürger ständig gestiegen ist. Unsere Bevölkerung lebt jetzt im «kleinem Wohlstand», ist auf dem Weg zum «mittlerem Wohlstand» und träumt von dem Tag, an dem sie den «großen Wohlstand» erreichen wird. Was, so werden Sie fragen, bedeutet «großer Wohlstand»? Die Antwort lautet: «Kommunismus.» Wenn Sie mir bis an diesen Punkt gefolgt sind, liebe Leser, werden Sie verstehen, warum das örtliche Parteikomitee und die Stadtverwaltung ihre gewaltigen Schnapsfässer errichtet haben.
Aber nun genug des müßigen Geschwätzes, liebe Leser! Es ist Zeit für mich, meine Erzählung auf den Weg zu
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