Die Schöne des Herrn (German Edition)
wohne, bereit, mir ein Zimmer zu geben, ohne dass ich essen muss, oh, es ist sehr klein, richtige Arbeiterklasse, sie haben nur sechs Zimmer und unten ein Café, und Gott sei Dank liegt es ein bisschen vom Meer entfernt, da hör ich diese Gespenstermusik der Wellen nicht, sie hat gewollt, dass ich nachts nicht hier bin, angeblich weil kein Platz ist, aber Platz ist genug, ich weiß schon, warum, sie will ihren Liebesroman halt in aller Heimlichkeit mit ihrem wunderschönen Schatz leben, ohne dass jemand sie in der Nacht in ihrem Liebesnest beobachtet, na ja, Liebesträume, Liebesrausch, ich werd Ihnen alles erzählen, ich hab Zeit, es ist alles vorbereitet, und außerdem machen Romeo und Julia gerade einen Spaziergang, aber Arbeit gibt es hier genug, sogar Weihnachten hab ich gearbeitet wie an jedem gewöhnlichen Tag, und ich komm auch am Sonntag, wo doch für ihren Märchenprinz immer alles ganz perfekt sein muss, ein richtiger Affenzirkus, der arme Didi, für dich hat man sich nie solche Mühe gemacht, obwohl, wenn ich’s mir recht überlege, wenn ich am Sonntag nicht kommen würde, würd ich mich in meinem Zimmer ganz schön mopsen, wo ich doch niemand im Hotel kenn, ich hab auch keine Lust, jemand kennenzulernen, die Leute sind alle so gewöhnlich, also wie gesagt, jeden Tag große Liebesmesse hier mit zwei Liebespriestern, und sie ständig um ihn besorgt, immer sagt sie zu mir, passen Sie auf, dass Monsieur dies nicht sieht, das nicht weiß, achten Sie auf dies, achten Sie auf das, Monsieur mag dies nicht, mag das nicht, o ja, armer Didi, für ihn hat man nicht ein solches Getue veranstaltet, trotzdem immer höflich, redet immer nett mit mir, während der Märchenprinz nicht besonders viel spricht, er schaut mich nicht mal an, Sie werden sehen, der Onkel, also Monsieur Agrippa, wird alles ihr vermachen, die Villa und alles in seinem Testament, die Villa in Champel, sie wird sie verkaufen, Sie werden sehen, weil sie wird sich nicht trauen, in Genf zu leben, Tausende und Abertausende wird sie dafür bekommen, wo es doch eine Luxusvilla ist, wie man sie früher gebaut hat, und dazu das Grundstück und das schöne Wohnviertel, da sind die Grundstückspreise hoch, aber sie wird nicht so viel bekommen, wie es wert ist, weil Notare Banken und Konsorten werden ganz schön absahnen, geldgierig wie sie sind, wenn Sie mich fragen, macht Monsieur Agrippa es nicht mehr lange, spindeldürr wie nur was, er sieht wie ein wilder Spargel aus, der ganz dünne grüne lange, der wo feiner im Geschmack ist wie der gezüchtete, wenn sie mich fragen, an seiner ganzen Art erkennt man, dass er mit Sicherheit nie eine Frau angerührt hat, nein, der macht es nicht mehr lange, aber schließlich, auch die Ärzte müssen mal dran glauben, wenn sie auch so tun, als würden sie alles wissen, aber wenn der Zeitpunkt gekommen ist, ist er gekommen, o là là, arme Mariette, du wirst auch mal dran glauben müssen, du hast deine Jugend nicht richtig genossen, und jetzt stehst du da mit deinen dicken geschwollenen Beinen, wie ein Zirkuselefant, also wie gesagt, kaum hat sie mir telegrafiert, bin ich schon gekommen, am 4. Dezember also, und wir haben uns beide gleich drangemacht, und am 18. war alles tipptopp, kein Wunder bei den Trinkgeldern, die wo sie nach links und rechts verteilt hat, ich hab die Augen zugemacht, weil ich wollte gar nicht wissen, wie viel, jedenfalls haben wir beide geschuftet wie Ackergäule, und jetzt ist alles schön, außer die Küche, die ist zu weiß, krankenhausmäßig, das mag ich nicht, und auch dieser elektrische Herd, richtiges Braten ist schwierig damit, und man kann ihn auch nicht so fein einstellen wie einen Gasherd, und es dauert ewig, bis es heiß wird, und danach glüht die Platte noch ewig, wenn man sie nicht mehr braucht, nein, nichts für mich, aber ich hab kein Wort gesagt, weil wer zahlt, befiehlt, wie Pasteur sagte, der Salon und das Esszimmer sind ganz schön und gediegen, aber zu streng, es fehlen Kleinigkeiten, Nippsachen, was eine heitere intime Atmosphäre schafft, das Zimmer von Monsieur, weißer Teppich und weißer Samt, nicht mein Fall, und die Beleuchtung, man sieht nicht mal, wo die Glühbirnen sind, und sein Bett ist so niedrig, dass ich Rückenschmerzen bekomm vor lauter Bücken, wenn ich es mach, der reinste Sarkophag, so groß, dass man zwei Kamele reinlegen könnte, und fette noch dazu, na ja, meinetwegen, wenn es ihnen Spaß macht, aber das Gute an diesem Haus ist, dass es nur ein
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