Die schöne Diebin
Gegners umklammert und schlug ihn immer wieder auf den Boden. Aber Witherspoon hielt mit eiserner Entschlossenheit die Pistole fest. Mit der anderen Faust boxte er Stockport jetzt so heftig in die Seite, dass dieser laut aufstöhnte. Noch ein Faustschlag, und er musste seinen Griff lockern. Mit einem Ruck machte Witherspoon sich frei.
Gleich wird er die Pistole auf Brandon richten! Aus vor Angst geweiteten Augen beobachtete Nora den Kampf. Noch nie hatte sie Stockport so konzentriert, so entschlossen erlebt.
In diesem Augenblick stürzte Brandon mit gesenktem Kopf auf seinen Gegner zu. Er erwischte ihn in der Magengrube. Witherspoon schrie vor Schmerz laut auf. Die Pistole rutschte ihm aus der Hand. Als die Waffe auf die Erde krachte, löste sich ein Schuss.
„Nein!“ Entsetzt beobachtete Nora, wie beide Männer zu Boden stürzten. Stockport kam unter seinem Gegner zu liegen. Keiner der beiden rührte sich. Ihre eigene Sicherheit vergessend lief Nora zu ihnen. Witherspoon hatte offenbar das Bewusstsein verloren. Sie wollte ihn zur Seite ziehen, musste jedoch feststellen, dass sein schlaffer Körper unerwartet schwer war. So dauerte es eine Weile, bis sie Brandon endlich wenigstens teilweise von dem auf ihm lastenden Gewicht befreit hatte.
Sie holte tief Luft. Dann bemerkte sie das Blut auf seiner Brust. Hatte der Schuss ihn getroffen? Sie musste ihn untersuchen, ihm helfen, ihn verbinden! Aber dazu musste sie ihn ungehindert erreichen können! Halb wahnsinnig vor Angst packte Nora erneut Witherspoons Schultern. All ihre Kraft einsetzend gelang es ihr, ihn auf den Fußboden zu rollen. Sein Rock war in Höhe der Rippen zerrissen, und Blut floss aus einer hässlichen Wunde. Vermutlich war die Lunge getroffen worden. Das war gleichbedeutend mit einem Todesurteil.
Nora kniete sich neben Brandon, knöpfte mit bebenden Fingern sein Hemd auf und begann, seinen Körper abzutasten. Keine Schusswunde, keine Knochenbrüche, dem Himmel sei Dank! Aber warum ist er dann noch immer bewusstlos?
Plötzlich waren von draußen Stimmen zu hören. Jemand rief: „Brandon, bist du noch hier?“ Und eine Frauenstimme fiel ein: „Nora? Nora, wo sind Sie?“
Sie lief zur Tür und riss sie auf. „Dulci! Lord Wainsbridge! Kommen Sie rasch! Es hat einen furchtbaren Kampf gegeben. Brandon ist bewusstlos. Witherspoon ist wahrscheinlich tot. Seinen Komplizen St. John habe ich gefesselt. Er liegt dort drüben auf der Erde.“
Dulci rannte zu ihrem Bruder, Jack folgte ihr etwas langsamer. Er nahm sich die Zeit, Nora anerkennend zu mustern und sie zu fragen, ob sie verletzt sei. Als sie verneinte, kniete er sich neben Brandon und tastete – genau wie Nora es wenige Minuten zuvor getan hatte – dessen Körper ab.
Schließlich hob er den Kopf. „Der Ärmste hat eine große Beule am Hinterkopf. Er wird aber sicher bald zu sich kommen. Ein paar Tage lang wird er sich wahrscheinlich ziemlich schlecht fühlen. Bestimmt hat er auch einige blaue Flecken. Aber ich glaube nicht, dass Grund zur Sorge besteht.“
Erleichtert atmete Nora auf. Sie setzte sich auf den Boden und barg Brandons Kopf in ihrem Schoß. Jack und Dulci machten sich unterdessen daran, das Cottage aufzuräumen.
Noch ehe diese Arbeit erledigt war, begannen Brandons Lider zu flattern. Gleich darauf schlug er die Augen auf. „Wo ist Witherspoon?“ Er versuchte sich aufzurichten, sank aber mit einem Stöhnen wieder zurück. „O Gott, was ist geschehen? Ist mit dir alles in Ordnung, Liebste?“
Sie schenke ihm ein warmes Lächeln. „Mach dir keine Sorgen! Mir geht es gut. Außerdem sind Wainsbridge und Dulci hier, um uns zu helfen.“
Er entspannte sich. Es dauerte jedoch nicht lange, bis er darum bat, dass man ihm aufhelfen möge. Er wollte sich an den Tisch setzen und hören, was Jack zu berichten hatte.
„Wie kommst du darauf, dass ich mehr weiß als du?“, fragte Jack lachend. Doch dann erfüllte er die Bitte seines Freundes und begann, sobald er diesem auf einen Stuhl geholfen hatte, mit seinem Bericht.
„Der Pastor und ich hatten den Gasthof noch nicht erreicht, als wir Feuerschein bemerkten. Wir beschlossen natürlich, beim Löschen zu helfen. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich noch nicht daran, dass es die Fabrik sein könne, die in Flammen aufging. Nun, als wir feststellten, was wirklich los war, bestand keine Chance mehr, den Brand zu besiegen. Außerdem fand ich es wichtiger, nach Dulci zu sehen. Im Dunkeln hätte man sie leicht für The Cat halten können. Wer
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