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Die schwarze Hand des Todes

Titel: Die schwarze Hand des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Schatten, die unter der Oberfläche zu lauern schienen, waren bloß Steine. Das Wasser war hier so flach, dass man beinahe trockenen Fußes auf die andere Seite hätte wechseln können.
    »Da schlafen Enten«, sagte Weenink. »Komm, die scheuchen wir auf.«
    »Wozu?«
    »Es ist zu still hier.«
    Weenink warf eine Hand voll Kieselsteine in Richtung der Stockenten, die im Schilf dösten, die Schnäbel unter das Gefieder gesteckt. Seine Bewegungen waren völlig unkoordiniert, und die Steinchen ploppten harmlos ins Wasser.
    »Ich brauch was Größeres.«
    Cooper blickte sich um. Obwohl er reichlich benebelt war, spürte er vage Bedenken in sich aufsteigen. Auf der Brücke war wenig Verkehr. Nur im Supermarkt brannte noch Licht. Wahrscheinlich räumten die Leute von der Nachtschicht Regale ein und nahmen Bestellungen entgegen. Jeden Augenblick konnte einer von ihnen herauskommen, um eine Zigarette zu rauchen.
    »Gehen wir ein Stückchen weiter«, sagte er.
    »Wieso denn?«
    »Schlafenszeit.«
    »Ich dachte, wir gehen noch in einen Nachtclub.«
    »Nein.«
    »Das wollten wir doch. Noch was trinken, ein bisschen tanzen. Fahren wir nach Sheffield. Wir könnten auch ins Casino gehen.«
    »Da kannst du alleine hin.«
    »Ooch, Ben.«
    Cooper war nicht in Stimmung, sich beschwatzen zu lassen.
    Andererseits brachte er es nicht über sich,Todd seinem Schicksal zu überlassen. Weenink ließ sich auf eine Bank plumpsen. Die Latten ächzten unter seinem Gewicht.
    »Mann, bin ich hinüber«, sagte er. »Total hinüber. Ich könnte auf der Stelle einschlafen, Ben.«
    »Komm schon, Todd. Wir müssen weiter.«
    »Setz dich hin, Ben.«
    Cooper gehorchte zögernd. Ihm war kalt, und es fing an zu regnen. Die betäubende Wirkung des Alkohols ließ bereits nach.
    »Ben«, sagte Weenink in plötzlich verändertem Ton. »Ich hab da einen Riesenscheiß gebaut.«
    O Gott, dachte Cooper verzagt, bitte nicht jetzt. Wann auch immer, aber nicht jetzt. Er war müde. Er musste nach Hause.
    »Einen echten Riesenscheiß«, wiederholte Weenink. »Und ich schätze, sie kommen mir drauf.«
     
    Als sie an jenem Abend aus der Haustür trat, bemerkte Fry flüchtig eine Gestalt, die auf der anderen Seite der Grosvenor Avenue im Schatten der wuchernden Hecken nahe der Straßenlaterne stand. So etwas kam öfter vor. Die Studentinnen und Krankenschwestern, die links und rechts von ihr und in ihrem eigenen Haus wohnten, zogen eine bunte Schar von Verehrern an, die nicht immer zur feinsten Sorte gehörten.
    Fry musterte die Gestalt genauer. Ohne ihre geschulte Aufmerksamkeit hätte sie den Mann nicht entdeckt. Er war dunkel gekleidet und verriet sich durch keine Bewegung. Neun von zehn Passanten wären an ihm vorbeigelaufen. Fry zuckte mit den Achseln. Was ging es sie schon an. Solange sie nicht im Dienst war, fühlte sie keinerlei innere Verpflichtung, sich um das wilde, gefährliche Privatleben ihrer Nachbarn zu kümmern. Sie hatte wahrhaftig selbst mehr als genug am Hals.
    Auf der Fahrt nach Sheffield würdigte sie, so gut es ging, die Landschaft keines Blickes, bis sie wieder bebautes Gelände erreichte. Sie lebte am Arsch der Welt, okay, aber bewundern musste sie ihn nicht auch noch. Sie war und blieb eine Stadtpflanze.
    Dieser verdammte Ben Cooper. Er hatte Erinnerungen wachgerufen, an die sie nicht mehr rühren wollte. Nur aus einem einzigen Grund hatte sie sich nach Derbyshire versetzen lassen statt nach London, wo immer Verstärkung gebraucht wurde. In der Anonymität einer Großstadt, wo niemand danach fragte, wer man war und wie man lebte, wäre es ihr erheblich besser gegangen. Dort säße sie vermutlich mittlerweile sicher im Sattel, statt bei diesem Verein von Dorfpolizisten herumzurödeln. Sie hatte ihre Gründe gehabt, sich anders zu entscheiden, und seit Monaten redete sie sich ein, dass die Gründe hinfällig geworden waren. Sie hatte gehofft, dass die Arbeit alles andere verdrängen und ihre oberste Priorität sein würde. Nein – ihre einzige Priorität. Aber es hatte nicht funktioniert. Zeit, den Tatsachen ins Auge zu blicken.
     
    Ein paar Stunden später fuhr sie müde und frustriert zurück. Ihr Bein tat höllisch weh, und der Knöchel war seit dem Ausrutscher beim Viehmarkt auf das Doppelte angeschwollen. Sie war alle Straßen im Zentrum von Sheffield abgelaufen, hatte kein dunkles Eck und keinen verschwiegenen Winkel im Schatten der neonglitzernden Pubs und Nachtclubs ausgelassen, hatte sämtliche Unterführungen abgegrast, ob schummrig

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