Die Schwester der Braut
weil sie dort arbeiteten. Alex hätte sicherlich auch den neunzigminütigen Weg dorthin auf sich nehmen können, doch tatsächlich gab es in Waldorf auch nicht mehr zu sehen als in ihrer Heimatstadt. Außerdem fürchtete sie, sie könnte in einen Stau geraten und nicht rechtzeitig zum Abendessen wieder in Dennizville sein.
Es war ihr bewusst, dass sie ein bisschen paranoid war, doch sie genoss es, Zeit mit Dana zu verbringen. Sie wollte dieses Gefühl nicht hinterfragen, sondern ihm einfach nachgeben. Es war nichts dabei. Dana musste schließlich nicht wissen, wie sie empfand.
Alex sah in die Schaufenster der Geschäfte. Die meisten von ihnen waren noch an demselben Ort, an dem sie während Alex’ Jugend gewesen waren. Es waren inzwischen ein paar mehr, die Auswahl war größer. Alex blieb vor einer Buchhandlung stehen und sah sich die Deko im Schaufenster an. Das Thema war »Weine«. Ungewöhnlich aber interessant.
Sollte sie Dana vielleicht eine Flasche Wein mitbringen? Trank Dana Wein? Alex meinte, sie hätte so etwas erwähnt, war sich allerdings nicht sicher. Ihr kam in den Sinn, ihre Mutter anzurufen und sie zu fragen, ob sie vielleicht eine Kleinigkeit für Dana mitbringen sollte. Sie war schon fast soweit, ihr Telefon aus der Hosentasche zu fischen, als sie ihren Namen hörte und sich der zugehörigen Stimme zuwandte. Es war jemand, den sie kannte, von dem ihr aber im Moment nicht einfallen wollte, woher.
»Alex Herrera? Ich hab dich ja ewig nicht gesehen. Du . . . du weißt, wer ich bin, oder?«, fragte die Blondine, die unübersehbar schwanger war.
Alex dachte nach und kam schließlich auf die Antwort. »Betty Monroe?«
»Es heißt jetzt Betty Hapschatt«, erwiderte die Frau, mit der Alex zur High School gegangen war, mit der sie allerdings nie mehr als ein paar Worte gewechselt hatte. Betty war Cheerleaderin gewesen, sie selbst Sportlerin, das mischte sich nicht gut. Wenn der neue Nachname sie allerdings nicht trog, dann war Betty mit einem der Jungs des Basketballteams verheiratet, Ralph Hapschatt.
»Du bist mit Ralph verheiratet?«, fragte sie, und sie klang sogar interessiert. Es war seltsam, sich mit jemandem zu unterhalten, den man zwar kannte, aber den man überhaupt nicht kannte.
»So ist es. Seit fast zwölf Jahren inzwischen.« Betty zeigte ihren Ringfinger hoch, als wäre der Trauring daran noch eine Neuigkeit. »Und wie geht es dir? Was machst du? Verheiratet?«
»Mir geht’s gut. Ich arbeite für die Baltimore Sun . Und, nein, ich bin nicht verheiratet, war es auch nie.«
Betty nickte.
»Wie ich sehe, muss man dir gratulieren. Wann ist es denn soweit?«, lenkte Alex das Gespräch wieder auf die Blondine, weil sie keine Lust hatte zu erklären, warum sie Single war.
»Nächsten Monat endlich. Es ist natürlich schon mein drittes, aber ich schwöre, die Kugel wird bei jedem Mal runder.« Sie legte die Hände auf ihren Bauch und strich liebevoll darüber. »Dieses fühlt sich an wie ein Elefantenbaby.« Sie lachte.
»Du siehst sehr gut aus. Muttersein scheint dir zu bekommen.«
»Ja, das tut es auch. Ich liebe meine Brut, trotzdem wird dieses hier das letzte sein. Ich hoffe, es wird ein Mädchen. Ich weiß nicht, wie ich mit drei Jungs leben soll. Der Lärm ist jetzt schon fast unerträglich.« Betty spielte die Leidende, doch man konnte leicht sehen, dass sie es liebte.
»Dann wisst ihr noch nicht, was es wird?«
»Nein, wir haben uns bisher immer überraschen lassen. Der Arzt schaut nur nach, ob es gesund ist und behält das Geschlecht für sich.«
»Das ist ungewöhnlich, aber ein schöne Idee«, bestätigte Alex. Sie hielt nicht viel von dem Gewese, das allzu oft wegen des Geschlechts eines Kindes gemacht wurde. Betty hatte recht. Solange es gesund war, war es doch egal, was es war. Man würde es ja sowieso lieben.
»Natürlich gucken die meisten Leute einen an, als hätte man den Verstand verloren. Alle wollen immer wissen, was es wird, damit sie dementsprechend Geschenke kaufen können. Aber mir ist es wirklich egal, ob meine Tochter nun in einem blauen oder einem rosa Strampler im Kinderwagen liegt. Hauptsache, er ist warm und bequem.«
Alex nickte. Das war für sie eine logische Schlussfolgerung. Sie fragte sich allerdings, ob es andersherum noch ebenso egal wäre.
»Ich habe gehört, deine Schwester heiratet demnächst«, bemerkte Betty.
»Ja, am Freitag.«
»Natürlich. Deswegen bist du in der Stadt. Ich hoffe, du suchst nicht noch nach einem Kleid für die
Weitere Kostenlose Bücher