Die Schwester der Braut
dazu keine Zeit mehr geblieben. Die Trauung war wie man es von solchen Ereignissen erwartete: Sie war feierlich. Sie war rührend. Alle fühlten sich mit Liebe und Zuckerguss bedeckt, als die Zeremonie endlich vorbei war. Vor der Kirche wurden Fotos gemacht, von einem professionellen Fotographen und einigen Amateuren, die den Moment für das eigene Album festhalten wollten. Danach machte sich die Versammlung auf den Weg ins Henderson , einem traditionsreichen Hotel, das zwischen Dennizville und Waldorf lag.
Alex nutzte die erste Gelegenheit, ihre Schwester in einen kleinen privaten Raum zu ziehen, der von der Empfangshalle abging. Die Hochzeitsgesellschaft würde ein paar Minuten ohne sie auskommen müssen.
Sie standen sich gegenüber. Alex lächelte stolz auf ihre jüngere Schwester hinab.
»Es tut mir leid, dass ich so spät war. Ich wollte eigentlich noch vor der Trauung mit dir reden«, entschuldigte sich Alex.
»Du hast den ganzen Morgen daran gearbeitet, meinen Ehrentag perfekt zu machen. Selbst du bist heute absolut perfekt.« Alicia berührte ganz leicht Alex’ hochgestecktes Haar. »Du siehst so hübsch aus.«
»Sagte die atemberaubend schöne Braut zu ihrer Schwester.« Sie lächelten einander an. »Das bist du wirklich.« Alex schüttelte verträumt den Kopf und zupfte an einem der kleinen Löckchen, die den Kopf ihrer Schwester umrahmten.
»Ich fang gleich an zu heulen«, warnte Alicia.
Das brachte beide zum Lachen.
»Okay. Ich wollte dir eigentlich nur sagen, wie stolz ich auf dich bin. Ich finde, du hast einen tollen Verl. . . Ehemann. Ich kann ihn gut leiden und glaube, dass er gut zu dir sein wird. Sollte er es irgendwann nicht mehr sein, werde ich ihm natürlich jeden Knochen im Leib brechen.«
Alicia gab Alex einen leichten Schlag auf den Arm, kicherte aber.
»Ihr beide werdet hoffentlich sehr glücklich miteinander werden.«
»Ohhhh, Alex.« Jetzt fielen schließlich doch ein paar Tränen. Ally ignorierte sie und legte die Arme um den Hals ihrer Schwester.
Alex drückte ihre Schwester einen Moment an sich, schob sie dann wieder von sich und nahm eine kleine Schmuckschatulle aus ihrer Tasche. »Nun zu deinem Geschenk. Ich habe lange darüber nachgedacht. Es sollte etwas Besonderes sein.« Alex öffnete die Schachtel und ließ Ally hineinsehen. In dem dunklen Samt lagen zwei silberne Ketten, deren Anhänger ein goldenes in ein silbernes Herz gefasstes Kreuz ergaben.
»Es lässt sich in der Mitte trennen und wieder zusammenfügen. Eine ist natürlich für Rick, die andere für dich. Auf der Rückseite . . .« Alex drehte das kleine Herz in seinem Nest um.
Ally musste sich weit über die Schachtel lehnen, um zu sehen, was auf der Rückseite eingraviert war. » Alicia & Richard und das heutige Datum«, las die Braut. »Das ist so . . . wunderschön, Alex. Ich danke dir.« Wieder umarmte Alicia ihre Schwester.
Dieses Mal hielt die größere Frau die kleinere eine ganze Weile lang fest. Als sie sich trennten, lächelten sie einander wieder an.
»Es ist Zeit für deine Party«, bemerkte Alex.
»Worauf du dich verlassen kannst!«, bestätigte Alicia.
Sie verließen den kleinen Raum für einen größeren mit Tischen und Geschenken, einer Band, einem Tanzparkett und vielen Menschen, die sich bereits gut amüsierten.
Es wurde gegessen, es wurden Reden gehalten, es wurden traditionelle, und manchmal auch recht peinliche Spiele gespielt. Anschließend wurde getanzt. Alex beteiligte sich an jedem Unsinn, mit dem die Brautjungfern und der Trauzeuge aufwarteten, und ließ es sich auch nicht nehmen, einen Toast auf das Brautpaar auszusprechen.
Nur als ihre Verwandten anfingen, die Tanzfläche zu stürmen, lehnte sie selbst mehrere Aufforderungen dazu ab. Als großer Mensch hielt sie sich nicht für sehr gelenkig. Als Latina fehlte ihr das Gespür für Rhythmus. Deshalb fühlte sie sich immer beobachtet, wenn sie eigentlich selbstverloren sein sollte. Diese Tatsache machte Tanzen für sie nicht zum Vergnügen.
Zudem waren von ihr bevorzugte Tanzpartnerinnen in diesem Kreis tabu. Alex sah viele Male zu Dana hinüber und wünschte, sie könne zu ihr hinübergehen und sie zum Tanzen auffordern. Das ging jedoch nicht. Allerdings war ihr schleierhaft wieso auch niemand anderes sich dazu aufraffte, Dana aufzufordern. Sie sah sich unter den Männern der Gesellschaft um, unter den ledigen wie den vergebenen, unter den alten, den jungen und denen dazwischen. Keiner dieser Trottel schien gewillt,
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