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Die Schwester der Braut

Die Schwester der Braut

Titel: Die Schwester der Braut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Westphal
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ziehen.
    »Ich bin verliebt in Alex, Louis. Das ist nicht nur die unpassendste Verbindung, die ich eingehen könnte, es passiert auch noch zur verdammt unpassendsten Zeit in meinem Leben. Meine Ehe ist zu Ende, doch sie ist faktisch noch nicht beendet. Ich lehne mich zu weit aus dem Fenster . . . Ich sollte sie einfach vergessen.« Dana schloss die Augen, öffnete sie allerdings wieder, sobald sie Louis’ Hand auf ihrer spürte.
    »Kannst du das?«, fragte er.
    Sie zuckte die Achseln. Natürlich kannte die Antwort auf diese Frage.
    »Willst du das?«, fragte er noch.
    Dana schüttelte den Kopf.
    »Dann musst du abwägen, was du gewinnst und was du verlierst. Ist sie es wert?«
    »Ich habe bereits abgewogen, Louis. Der Preis wäre zu hoch.« Dana war nicht zufrieden mit dieser Antwort, und sie brachte ihr auch keine Erleichterung.
    Der kommende Donnerstag war bereits der zweite Oktober. Dana hatte an diesem Tag frei, und das hatte seinen Grund. Der zweite Oktober war der Geburtstag ihres Sohnes Joshua. Diesen Tag hatte sie die letzten Wochen gefürchtet. Selbst über all die verwirrenden Gefühle, die sie für Alex Herrera hatte, konnte sie nicht vergessen, dass dieser Tag Joshs dreiundzwanzigsten Geburtstag gewesen wäre. Normalerweise hätte sie einen Kuchen für ihn gebacken, hätte erwartet, dass er vorbeikäme, um mit ihr ein Stück davon zu essen. Er hatte immer gern Kuchen gegessen, alles Süße. Bis auf das letzte Jahr, in dem er so furchtbar abgenommen hatte.
    Bei dieser Erinnerung schüttelte Dana den Kopf. Sie war gerade aus ihrem Wagen gestiegen, in dem sie eine ganze Weile gesessen hatte, das Unvermeidliche hinauszögernd. Sie stand auf dem Parkplatz hinter dem Friedhof, auf dem Josh beigesetzt war. Sie ging auf die kleine Pforte zu, die den Friedhof vom Parkplatz abgrenzte. Josh war nicht weit von hier begraben, abgelegen von der Kirche, die er die letzten Jahre seines Lebens nicht besucht hatte, weil er keine Verwendung für Religion gehabt hatte. Ähnlich wie seine Mutter auch.
    Es hatte die letzten Tage immer wieder geregnet. Der Rasen war durchweicht und glitschig. Dana hatte damit gerechnet und trug feste Schuhe, dazu Jeans, einen dicken Rollkragenpullover und eine Regenjacke. Sie war sich bewusst, dass Josh sie in legeren Kleidern am meisten gemocht hatte, nicht in irgendwelchen Kleidern und hochhackigen Schuhen. Er mochte es, wenn sie zusammen spazieren gingen, manchmal im Regen, wenn sie sich nichts vormachten, sich nicht verstellten, wie er sagte. Er war tatsächlich sehr sensibel gewesen – Alex hatte mit ihrer Einschätzung recht gehabt.
    Vor einem dunklen Grabstein ging Dana in die Hocke. ›Joshua Barrett Lincoln‹, stand in Goldlettern auf dem Stein, darunter sein Geburtstag und sein Todestag. Dana wollte damals noch eine persönliche Widmung hinzufügen, doch ihr wollte nichts einfallen, nicht im Angesicht des Todes, den ihr Sohn gestorben war. Es gab keine Worte für eine Mutter, die ihr Kind auf diese Weise verlor.
    Dana legte Blumen vor den Grabstein. Weiße Rosen.
    »Hallo, Josh«, sagte sie. Sie redete immer mit ihm, wenn sie kam. Normalerweise kam sie einmal im Monat zum Friedhof. Sie war am Tag von Allys Hochzeit das letzte Mal hier gewesen. Sie war nach der Trauung hierher gewandert und hatte ihm davon erzählt. Sie wusste nicht, ob es ihn interessiert hätte. Obwohl er Alex gemocht hatte, wusste sie nicht, wie er zu Alicia gestanden hatte. Sie hatten nie etwas miteinander zu tun gehabt, soweit sie wusste. Andererseits hatte sie auch nicht gewusst, dass Alex und er ein Geheimnis miteinander gehabt hatten. Sie fragte sich, ob es noch mehr solcher Dinge gab, die sie über ihren Sohn nicht wusste. Oder Dinge, die er ihr erzählt hatte, die nicht wahr gewesen waren.
    Dana seufzte. Wie gut hatte sie ihren Sohn überhaupt gekannt?
    Es waren keine neuen Fragen, die sie sich stellte. Das Leben ihres Sohnes war kein offenes Buch gewesen. Besonders nicht seit er anderthalb Jahre vor seinem Tod nach Baltimore gezogen war. Er hatte sich verändert. Nur noch selten hatten sie sich gesehen. Sie hatte sich zu wenig bemüht, Kontakt zu halten, hatte zu selten angerufen, ihn kaum besucht.
    Dana fing an zu weinen. Sie presste eine Hand über ihren Mund, um nicht laut zu schluchzen. Es half nicht. Sie machte sich Vorwürfe; natürlich tat sie das. Ihr Sohn war tot – er war viel zu jung gestorben – er war allein gestorben.
    Es machte keinen Sinn für sie. Wie könnte es?
    Erste

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