Die Schwester der Königin - Gregory, P: Schwester der Königin
mir ist nicht immer noch mehr da«, sagte sie. »Er ist versessen darauf, mich zu berühren, aber er wartet nun schon drei Jahre. Was ist, wenn wir weitere drei Jahre warten müssen? Wie soll ich mir mein gutes Aussehen bewahren? Meine Fruchtbarkeit? Er mag ja lüstern bleiben bis ins sechzigste Lebensjahr, aber was ist mit mir?«
»Denkt er nicht schlecht von dir?« fragte ich. »Was du mit ihm machst, das sind ja die Tricks und Kniffe einer Hure.«
Anne schüttelte den Kopf. »Ich muß etwas tun, damit er weiter nach meiner Berührung fiebert. Ich muß ihn immer einen Schritt auf mich zu tun lassen und gleichzeitig auf Armeslänge halten.«
»Es gibt auch noch andere Dinge, die du tun kannst«, verriet ich ihr.
»Sag’s mir.«
»Du kannst ihn zusehen lassen.«
»Bei was zusehen lassen?«
»Wie du dich selbst berührst. Das liebt er. Er weint dann beinahe vor Lust.«
Sie schaute ungeheuer verlegen. »Pfui!«
Ich lachte kurz auf. »Du läßt ihn zusehen, wie du dich ganz langsam ausziehst. Und am Schluß raffst du dein Hemd hoch und zeigst ihm alles.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das könnte ich niemals …«
|340| »Du kannst ihn auch in den Mund nehmen.« Ich verbarg meine Heiterkeit über ihren Schreck.
»Was?« Sie blickte mich mit unverhülltem Abscheu an.
»Du kannst dich vor ihn knien und ihn in den Mund nehmen. Das liebt er ebenfalls.«
»Das hast du mit ihm gemacht?« fragte sie mit gerümpfter Nase.
Ich blickte ihr geradewegs in die Augen. »Ich war seine Hure«, sagte ich. »Und unser Bruder hat seine einträglichen Posten, und unser Vater ist ein reicher Mann deswegen.«
Annes Gesicht spiegelte Neugier und Ekel. »Und das hat ihm gefallen?«
»Ja«, erwiderte ich mit schonungsloser Offenheit. »Es hat ihm unendliche Wonnen bereitet. Du kannst dich aufs hohe Roß setzen, wie du willst, aber wenn du ihn schon mit Hurenschlichen halten mußt, dann solltest du lieber einige neue lernen.«
Einen Augenblick lang glaubte ich, sie würde aufbrausen, doch sie wurde ganz still und nickte.
»Ich bin sicher, die Königin hat dergleichen nie getan«, sagte sie mit tiefstem Haß.
»Nein«, erwiderte ich und erlaubte mir für einen kurzen Augenblick, meinen ewigen Groll auszuleben. »Aber sie war ja auch seine geliebte Ehefrau, die er aus tiefer Zuneigung geheiratet hat. Du und ich, wir sind nur seine Huren.«
Die Spielchen, die Anne mit dem König zu spielen lernte, beschwichtigten ihn, machten sie dagegen gereizter denn je. Eines Tage öffnete ich die Tür zu ihrem Gemach und hörte ihre laut aufbrausende Stimme.
Henry warf mir einen beinahe flehenden Blick zu. Anne stürzte sich gerade vor meinen ungläubigen Augen wie eine Furie auf ihn, hatte mich nicht einmal hereinkommen hören, weil die Wut sie für alles blind und taub gemacht hatte.
»Und dann muß ich feststellen, daß sie,
sie
, immer noch Eure Hemden näht. Sie verspottet mich damit, hat sie vor meinen Augen zur Hand genommen und mich gebeten, ihr die |341| Nadel einzufädeln. Mich vor allen Hofdamen angewiesen, ihr die Nadel einzufädeln, als wäre ich eine dahergelaufene Dienerin!«
»Ich habe sie nie darum gebeten …«
»Oh? Schleicht sie sich etwa nachts in Eure Gemächer und stiehlt Euch Eure Hemden? Stibitzt sie ein Diener und reicht sie an sie weiter? Schlafwandelt Ihr und tragt die Hemden unwissentlich zu ihr?«
»Anne, sie ist meine Ehefrau. Sie näht seit zwanzig Jahren meine Hemden. Ich ahnte ja nicht, daß Ihr etwas dagegen einzuwenden haben könntet. Ich werde ihr mitteilen, daß ich es nicht mehr möchte.«
»Ihr ahntet nicht, daß ich etwas dagegen einzuwenden haben könnte? Ich nähe so gut wie sie, viel besser sogar, denn ich bin weder so alt noch so weitsichtig, daß jemand anders mir die Nadel einfädeln muß. Aber Ihr bringt Eure Hemden nicht zu mir.« Ihre Stimme bebte. »Vor dem ganzen Hofstaat zeigt Ihr mir die kalte Schulter, indem Ihr Eure Hemden zu ihr tragt.« Die Entrüstung machte sie immer stärker. »Ihr könntet genausogut der ganzen Welt mitteilen: Dies ist meine Ehefrau und die Frau, der ich mein Vertrauen schenke, und dies ist meine Mätresse, die für die Nächte und mein Vergnügen da ist.«
»Bei Gott …«, hob der König an.
»Bei Gott, Ihr habt mich damit verletzt, Henry!«
Das Beben in ihrer Stimme machte ihn völlig wehrlos. Er breitete die Arme aus, aber sie schüttelte nur den Kopf. »Nein, nein, ich komme nicht angerannt und lasse mir von Euch die Tränen von den Wangen
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