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Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Schwestern vom Roten Haus: Ein historischer Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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eigenen Pläne verwirklichen konnte, was nicht mehr lange dauern würde. Neben ihr saß Sylvester Steding, der Lehrer im Waisenhaus war.
    Und Mlle. Meyberg? Sie war zu einem kurzen Besuch zu ihren Eltern und fünf Geschwistern nach Hannover gefahren und wurde bald zurückerwartet. Es hieß allerdings, sie werde ihre Stellung wechseln. Amanda Söder brauchte unbedingt eine tüchtige Person, die ihren Haushalt regierte, die übrigen Dienstboten beaufsichtigte, ihr vorlas und dafür sorgte, dass sie regelmäßig badete. Eigentlich habe ihr die Arbeit als Gouvernante nie wirklich Freude gemacht, hatte Mlle. Meyberg Ina gestanden, obwohl sie die Hegolt’schen Kinder ungemein reizend finde. Nun ja. Offenbar fand sie Amanda Söder noch reizender.
    Die junge Madam Vinstedt gehörte zu den wenigen, die an diesem Abend auf der melancholischen Seite waren. Wagner hatte ihr noch nicht verziehen. Sie hatte ihm zwar anvertraut, wer die beiden Frauen getötet hatte, doch zugleich versichert, sie werde das vehement abstreiten, falls er das bekannt gebe. Er hatte ihr Bestreben, so Ina Hegolt und die Kinder zu schützen, verstanden, doch nun stand er als einer da, dem es nicht gelang, einen Doppelmörder zu fassen. Außerdem hatte sie gedacht, in dieser schönen Nacht nicht nur mit Tobias bei Amanda und den Claudius zu Gast zu sein. Nach seiner letzten Post hatte sie schon vor zwei oder drei Tagen mit Magnus’ Rückkehr gerechnet. Aber ihr Ehemann, mal sehnsüchtig, mal wütend, immer ungeduldig erwartet, war noch nicht zurück. Immer noch nicht. Seine Weiterreise nach Rom hatte wenigstens einen halben Erfolg gezeitigt. Magnus hatte Blanck gefunden und ihm die restlichen Wechsel abnehmen können, etwa die Hälfte, hatte Pauli versichert, der Eilpost von Magnus bekommen hatte. Irgendetwas hatte ihn wieder aufgehalten, vielleicht nur ein Hochwasser führender, zum reißenden Strom gewordener Bach. Hoffentlich kein neuer Anfall von Sehnsucht nach anderen Städten und Ländern.
    Auch von der Becker’schen Komödiantengesellschaft, die doch so etwas wie ihre Familie war, hatte sie keine Nachricht. Immerhin war Anne wieder zurück, das war ihr ein großer Trost und eine große Freude. Irgendwann würde sie ihr vielleicht anvertrauen, was in der Märznacht am Eis treibenden Fluss tatsächlich geschehen war. Sie war nie schwatzhaft gewesen, aber diese Geschichte für sich zu behalten fiel ihr schwer.
    Die reichgefüllten Teller und Schüsseln waren geleert, es wurde gesungen, geplaudert, gelacht und getrunken, die Herren und Madam Söder hatten lange weiße Tonpfeifen angezündet, und die Sterne leuchteten um die Wette. Eilige, kaum schmetterlingsgroße Fledermäuse schwirrten über den Köpfen, und eine ganze Korona von Glühwürmchen tanzte über dem Teich. Und da war endlich auch der Mond, voll und groß. Als sei er zum Greifen nah, hing er über den schwarzen Wipfeln und machte ein freundliches Gesicht. Nur die Nachtigallen ließen heute auf sich warten.
    Rosina war in den Garten spaziert, der zum größeren Teil aus Gemüsebeeten bestand, doch es duftete nach Reseeden und Heu, ein bisschen auch noch nach den gebratenen Gänsekeulen und Wachteln, nach Waldmeister und – Lavendel? Sie sah sich um, eine schlanke Gestalt schlenderte heran – es war nur Claudius.
    «Ach», sagte er mit einem glücklich klingenden Seufzer, «was für eine wunderbare Nacht. Und dieser Mond! Liebt Ihr ihn auch so sehr? Ich muss meinen verehrten Freund Klopstock daran erinnern, eine Hymne auf den Mond zu schreiben, diesen freundlichen, stets trostreichen Gesellen. Wer könnte es besser als er?»
    «Womöglich Ihr, Monsieur Claudius.»
    «Glaubt Ihr?»
    «Unbedingt.»
    Just in diesem Moment begann die erste Nachtigall zu schlagen, dann eine zweite, noch eine, viele. Süß und sehnsuchtsvoll. Nur Amanda Söder hörte es natürlich anders, sie behielt es ausnahmsweise für sich.
    Da standen Rosina und Claudius nun und sahen zum Mond hinauf. Während Rosina überlegte, ob womöglich – höchstens eine Tagesreise weit – auch Magnus gerade zu diesem freundlichen kugelrunden Gesicht am Himmel hinaufsah und sich sehnte wie sie, dachte Claudius an den kranken Nachbarn und wünschte ihm einen ruhigen Schlaf.

    Nur eine fünftel Meile weiter standen drei hochbepackte Wagen im Schutz einer dichten dornigen Hecke. Ein halbes Dutzend Menschen, vielleicht zwei oder drei mehr, hockten und lagen in Decken gerollt im Dunkel und sahen zu dem über die Bäume aufsteigenden

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