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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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den beiden, um es ihnen zurückzugeben.
    »Danke. Das ist sehr nett«, sagte die Pflegerin.
    »Gern.« Melinda nickte den beiden zu und bemerkte in diesem Augenblick, dass die alte Dame im Rollstuhl sie anstarrte, als hätte sie ein Gespenst erblickt.
    Ein leichter Schauer lief ihr über den Rücken. Die seltsamen Begegnungen mit fremden Menschen, die sie anschauten, als hätte sie etwas Unheimliches an sich, häuften sich für ihren Geschmack langsam ein wenig zu oft. Sie lächelte höflich und lief weiter zum Haus.
    Eine Haushälterin in schwarzem Kleid und heller Schürze öffnete ihr die schwere Eingangstür. Ihr Blick taxierte Melinda abschätzend und blieb an ihrem alten Wollmantel hängen. »Ja?«
    »Mein Name ist Melinda Leewald. Ich würde gern Mr Tennyson sprechen!«
    Die Frau zog die Brauen hoch. »Ich fürchte, Mr Tennyson ist beschäftigt.« Die Arroganz in ihrem Tonfall war nicht zu überhören.
    »Ich bin sicher, wenn Sie Mr Tennyson meinen Namen sagen, wird er mich empfangen«, erwiderte Melinda kühl.
    Die Haushälterin zuckte die Achseln. »Warten Sie bitte hier«, sagte sie und schloss tatsächlich die Tür direkt vor ihrer Nase wieder.
    Melinda drehte sich zum Hof. Mehrere Autos standen dort. Auch der Aston Martin. Tennyson musste also zu Hause sein. Ihr Blick glitt zurück zum Garten, doch die alte Dame im Rollstuhl war verschwunden. Sie fragte sich gerade, ob die Haushälterin jemals zurückkommen würde, als die Tür erneut geöffnet wurde – von Henry Tennyson persönlich.
    Der Ausdruck, der sich für den Bruchteil eines Augenblicks auf seinem Gesicht zeigte, war es allein wert, dass sie hergekommen war, stellte Melinda mit Genugtuung fest. Es war eine Mischung aus Fassungslosigkeit und Irritation, die sich darin spiegelte. Dann hatte er sich jedoch wieder in der Gewalt.
    »Sie scheinen unbelehrbar zu sein, Miss Leewald! Wenn Sie nicht sofort verschwinden, werde ich Sie von meinem Anwesen werfen lassen«, zischte er kalt.
    »Geben Sie sich keine Mühe. Sie brauchen mich nicht weiter einzuschüchtern oder zu bedrohen. Übrigens weiß man, dass ich hier bin«, erklärte Melinda. Das war gelogen, doch sie wollte Tennyson nicht auf dumme Gedanken bringen. »Und ich weiß, dass Amalia Sherwood meine Großmutter war! Das war es doch, was ich auf keinen Fall erfahren sollte, oder?«, fügte sie hinzu.
    Einen Augenblick lang schien es ihm die Sprache verschlagen zu haben, aber dann stieß er ein verächtliches Lachen aus. »Denken Sie ernsthaft, das wird Ihnen irgendjemand glauben? Mein Gott, glauben Sie mir, Familien wie die meinen sind es seit Jahrhunderten gewohnt, dass sich Leute wie Sie etwas erschleichen wollen.«
    Die Arroganz in seinem Tonfall war so widerwärtig, dass Melinda es gegen alle Vernunft nicht schaffte, an sich zu halten. »Tatsächlich? Hat man in Ihrer Familie seine Interessen damals auch schon auf so kriminelle Weise durchgesetzt? Das erklärt eine Menge. Nur zu Ihrer Kenntnis, Mr Tennyson, ich habe nicht das geringste Interesse, mir irgendetwas zu erschleichen, aber mich interessiert sehr wohl, warum meine Großmutter 1896 im Dartmoor umgekommen sein soll, obwohl sie nachweislich danach noch gelebt hat – und ich werde es auch in Erfahrung bringen.« Mit diesem Satz wollte Melinda sich wirkungsvoll auf dem Absatz umdrehen und Henry Tennyson stehen lassen. Leider sollte ihr dieser Abgang jedoch nicht vergönnt sein. Schritte hatten sich aus der Halle genähert. Hinter Tennyson tauchte eine Gestalt auf.
    »Soll ich vielleicht eine richterliche Verfügung besorgen …«, ertönte eine Stimme, die abrupt verstummte. Der Mann, der im Türrahmen aufgetaucht war, blickte sie genauso überrascht an wie sie ihn. Es war George Clifford.
    »Melinda?«
    Einen Moment lang musste sie um Fassung ringen. Er arbeitete für Tennyson.
    »Warum erstaunt es mich nicht, dich hier zu sehen?«, brach es aus ihr heraus, als sie endlich die Sprache wiederfand. Dann endlich schaffte sie es, sich umzudrehen. Mit schnellen Schritten lief sie die Allee hinunter, nur fort von hier – und spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten.
    93
     
    A ufgelöst kehrte sie ins Postbridge Inn zurück. Sie packte ihre Sachen und beschloss, bereits den Mittagszug nach London zurück zu nehmen. Mrs Bensons Angebot, dass Ned sie mit dem Wagen nach Exeter fahren könnte, lehnte sie dankend ab. Es würde ihr nichts ausmachen, den Bus zu nehmen, erklärte sie eilig.
    »Sind Sie sicher? Was ist denn mit Ihrer Wange?

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