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Die Schwestern von Sherwood: Roman

Die Schwestern von Sherwood: Roman

Titel: Die Schwestern von Sherwood: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Winter
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bewerben?«
    Der Chefredakteur schaute sie überrascht an. »Nun, eigentlich ist sie für erfahrene Journalisten gedacht …«
    Melinda nickte enttäuscht.
    »Andererseits …« Er schien zu überlegen. »Sie sprechen gut Englisch, oder?« Seine Finger spielten mit dem Stift. »Warum interessieren Sie sich denn für die Fortbildung?«
    »Nun, ich denke, es wäre eine Chance für mich, etwas dazuzulernen …« Sie stockte, als sie sah, dass Scholz seine Augenbrauen hochzog.
    »Das ist nicht der einzige Grund. Meine Mutter war Engländerin, und ich war noch nie dort«, gestand sie. »Ich hätte gern einmal das Land gesehen, aus dem meine Familie stammt.« Die Erklärung entsprach nur sehr grob der Wahrheit, aber sie konnte Scholz schließlich schlecht von dem Paket erzählen.
    Seine Augenbrauen waren wieder nach unten geglitten.
    »Nun, persönliche Gründe spielen für die Auswahl zu dieser Fortbildung ganz sicher keine Rolle.« Er war im Begriff, sich wieder seinen Papieren zuzuwenden. Doch dann hielt er inne. »Aber es wäre keine schlechte Idee für eine Reportage: ›Eine Deutsche auf den Spuren ihrer englischen Wurzeln‹ oder so ähnlich. Und Sie könnten auch etwas darüber schreiben, wie die Menschen drüben in England den Krieg überstanden haben und heute über Deutschland denken. So etwas macht sich immer gut. Trauen Sie sich das zu?«, fragte er unvermittelt.
    Melinda starrte ihn ungläubig an, dann nickte sie eilig. »Ja, das traue ich mir zu«, sagte sie, bemüht, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben.

ELISABETH

16
     
    Devon, Frühsommer 1881
    E lisabeth versuchte einen halbwegs betroffenen Gesichtsausdruck aufzusetzen, als sie durch den Schlafsaal des Waisenhauses von St. Thomas schritt, doch es fiel ihr schwer. Sie wurde flankiert von Mr Kilburn, dem Leiter der Institution, und Mrs Gibbon, die zum Vorstand des Komitees gehörte. Vor jedem einzelnen Kind machten die beiden halt, um ihr in kurzen Worten etwas zu dem tragischen Schicksal der Waisen zu erzählen.
    Die Mädchen standen mit straff gekämmtem Haar in ihren grauen Kleidern vor den Betten und erinnerten in ihrer starren Haltung an eine Reihe von Zinnsoldaten. Es war nicht so, dass Elisabeth kein Mitleid mit ihnen empfand, es war bestimmt kein Vergnügen, hier aufzuwachsen. Spätestens seitdem sie die Aufseherin gesehen hatte – eine strenge, korpulente Erscheinung Mitte fünfzig, die es mit einem knappen Seitenblick schaffte, die Mädchen strammstehen zu lassen –, war ihr das klar. Andererseits wirkten die Zöglinge hier weder verhungert noch krank. Sie hatten ein Dach über dem Kopf, ein Bett zum Schlafen und genossen sogar die Grundzüge einer schulischen Ausbildung. Das war weit mehr, als die meisten Kinder in den Londoner Arbeitervierteln wie Whitechapel hatten. Wäre es um die reine Wohltätigkeit gegangen, wäre es aus ihrer Sicht daher angebrachter gewesen, den dortigen Institutionen etwas zu spenden.
    Elisabeth gab sich Mühe, sich ihre Ungeduld nicht anmerken zu lassen, als Mrs Gibbon sich anschickte, ihr in aller Ausführlichkeit zu berichten, wie die Eltern der kleinen Anne, vor der sie nun stehen geblieben waren, kurz nach deren Geburt bei einem Feuer ums Leben kamen.
    »Wie schrecklich«, gab sie pflichtschuldig von sich, während sie überlegte, wie lange das hier wohl alles noch dauern würde. Sie hatte mit einem halbstündigen Besuch in St. Thomas gerechnet, doch nun war sie schon fast zwei Stunden hier. Himmel, und man hatte ihr noch nicht einmal alle Mädchen vorgestellt! Die Jungen, die in dem Gebäude auf der anderen Hofseite untergebracht waren, kamen erst danach dran.
    »Nun, wie gesagt, liebe Mrs Sherwood, wir können Ihnen gar nicht genug für Ihre großzügige Spende danken. Das Waisenhaus von St. Thomas erhält nur geringe Unterstützung von der Regierung, und wir sind daher auf private Zuwendungen angewiesen«, erklärte Mrs Gibbon. Sie war nur wenige Jahre älter als Elisabeth, trug aber immer Schwarz, seitdem ihr Mann, Major Gibbon, gefallen war.
    Elisabeth lächelte aufrichtig erfreut. Mrs Gibbon war eine gute Freundin von Lady Ashby und Lady Hampton, den beiden tonangebenden Damen der hiesigen Gesellschaft, wie sie nach einigen Nachforschungen herausbekommen hatte. Die beiden waren sogar am Hof der Queen vorgestellt und verbrachten deshalb im Sommer regelmäßig einige Wochen in London.
    Insgeheim dankte sie John, dass er bereit gewesen war, sich als so großzügiger Wohltäter zu erweisen. Es schien

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