Die Schwesternschaft
Vorgänger.«
»Man braucht nur drei Schritte zu machen, um einen Blick hineinzuwerfen.«
»Es interessiert mich nicht. Sie gehörten einem anderen. Ich hatte meine eigenen Pläne. Man baut seine Karriere nicht auf Geistern auf. Man baut sie höchstens mit ihnen auf.«
Kirill spürte Gavrils Unbehagen. Dieses ganze Gerede bedeutete nur eins: Probleme. Ein Mann, der sich in die Vergangenheit flüchtet, ist kein ganzer Mann und hat zu viel Angst vor dem, was war, um das sein zu können, was er ist. Der Tod seiner Frau hatte Gavril härter getroffen, als er jemals geglaubt hätte, und Nadjas Rückkehr schien nicht sehr hilfreich gewesen zu sein. »Wenn ich mich nicht irre«, sagte er, das Thema wechselnd, »wollten Sie vorhin von Glebov hören.«
Gavril kippte den Wodka hinunter. »Ich bin kein Schwächling, falls es das ist, was du denkst.«
»Das habe ich nie gedacht.«
»Wenn du jemals meine Stellung erreichst, solltest auch du einen Ort haben, der dich immer daran erinnert, von wo du aufgebrochen bist.«
»Ich habe viele Orte, von denen ich aufgebrochen bin, und keinen, der es wert wäre, erinnert zu werden.«
Was Kirill sagte, stimmte. In seinem Fall war es besser zu vergessen, die Vergangenheit zu begraben, denn die Dämonen kehrten immer wieder zurück, und mit jedem Jahr, das verging, spürte er sie in seinem Inneren mächtiger werden.
»Du hast deinen Platz gefunden«, bemerkte Gavril. Dann verschloss er die Flasche und stellte sie zurück in die Minibar. »Kommen wir nun zu Glebov. Was hast du aus ihm herausgebracht?«
Kirill sah ihn einen Moment lang an, bevor er antwortete. »Hinter allem steckt eine Frau.«
»Das ist mir bereits durch die Videoaufzeichnungen bekannt«, erwiderte Gavril trocken. Er hatte offenbar mehr erwartet.
»Die Frau auf dem Video ist bloà eine Vorkämpferin. Die Königin ist nie in Erscheinung getreten.«
»Und wer soll das sein?«
Kirill merkte, dass er schluckte, etwas, das ihm verhasst war. Aber was er zu berichten hatte, würde seinem Chef absolut nicht gefallen.
»Ich weià nur, dass es eine Frau ist. Eine äuÃerst geschickte Frau, die sich nicht scheut, mit den skrupellosesten und gefährlichsten Killern zusammenzuarbeiten, und sich ohne Weiteres an einen hochrangigen Beamten heranmacht, um ihn im Griff zu halten. Diese Frau hat Glebov derart manipuliert, dass er dem Tod beinahe freudig begegnet ist.«
Gavril schwieg und starrte ihn an. Er wirkte nicht verärgert über das, was er soeben gehört hatte, sondern schien Kirill vielmehr mit dem Blick zu warnen, seine Zunge zu hüten.
»Glebov hat keine Namen genannt. Nur einen Decknamen: Ambriandai. So hieà die Operation im Bunker.«
»Ambriandai? Was bedeutet das?«
»Nichts Besonderes. Es hat etwas mit der irischen Geschichte zu tun. Ich bin dabei, der Sache auf den Grund zu gehen.«
Kirill hätte ihm gerne von seinem Verdacht bezüglich Lena erzählt, von ihrer Fähigkeit, mit jedem anzubändeln und ihn in ihren Bann zu ziehen, von ihrem Verhalten während der Beerdigung, von der Macht, die sie im Lauf der Jahre über Gavril gewonnen hatte. Aber er hatte nichts in den Händen. Selbst als er den Namen Lena eine Handbreit vor dem Gesicht des sterbenden Glebov aussprach, hatte er als Antwort lediglich ein irres Gelächter und einen Schwall Blut geerntet.
Gavril erhob sich von seinem Platz hinter dem Schreibtisch und trat auf ihn zu. »Man spürt es jedes Mal am Geruch, wenn du aus der Kammer kommst.«
Der Sibirier schwieg.
»Wenn irgendein anderer mit derart wenig in den Händen zurückgekommen wäre â¦Â«, begann Gavril erneut. Dann machte er eine Bewegung in der Luft, als wolle er eine Fliege vertreiben. »Tatsache ist, dass du es warst. Dem muss ich Rechnung tragen.«
Kirill hatte nichts hinzuzufügen. Er hätte nur Vermutungen anstellen, Zweifel vorbringen und ein paar Details anführen können, die ihm von Anfang an verdächtig vorgekommen waren. Aber bevor er sich zu weit aus dem Fenster lehnte, musste er etwas Handfestes vorweisen können. Jetzt mit Lena anzufangen wäre ein Fehler gewesen.
»Ich werde heute Abend mit meiner Tochter im Tsarskaya Okhota essen gehen«, verkündete Gavril schlieÃlich. »Du wirst sie um acht Uhr dorthin begleiten. Ich habe hier noch etwas zu erledigen. Aber ich werde
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