Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
dazusitzen, war der Kreislaufstabilität
nicht unbedingt förderlich.
Der
Fiat zuckelte nur wenige Hundert Meter weiter und bog dann nach rechts in einen
unauffälligen Feldweg ein, der an beiden Seiten von dichten Nadelbäumen gesäumt
war. Der Pfarrer fuhr in eine kleine Lichtung hinein, hielt an und die beiden
stiegen aus.
"Tja,
jetzt heißt es wohl weiter warten, aber ich habe eine Idee", meinte der
Pater. Mit einem Handzeichen, ihm zu folgen, lief er geduckt zwischen den
Baumstämmen hindurch zurück in Richtung Straße, um eine Stelle zu suchen, von
wo sie zwischen den Bäumen hindurch die beste Sicht auf die bergabwärts
führende Straße hatten. Lucie, der das unternehmungslustige Funkeln in seinen
klugen Augen nicht entgangen war, erkannte verblüfft, dass dem Pfarrer diese
Art ungewöhnlichen Gebarens, nämlich sich unbemerkt an etwas heranzuschleichen,
nicht fremd sein konnte. Es entsprach so gar nicht der Durchschnittstätigkeit
eines Landpfarrers. Sie gewann mehr und mehr den Eindruck, dass er die
ungewöhnliche Situation genoss, er benahm sich beinahe wie ein altes
Schlachtross, das die Trompete rief.
Ein
kaum hörbares, leises Klingeln auf halbem Wege, ließ beide aufhorchen. "Da
klingelt ein Handy", meinte Lucie und griff automatisch nach dem Telefon
des Entführers in ihrer Shorts. "Beim heiligen Paulus", rief Pater
Serrano und blieb derart unvermittelt stehen, dass Lucie ihm voll auf die
Hacken trat. "Entschuldigung", murmelte sie und sah den Pfarrer, der
sich umgedreht hatte, fragend an.
"Macht
nicht, macht nichts. Wo habe ich nur meinen Kopf?", rief er und schlug
sich mit der flachen Handfläche gegen den selbigen. "Ich habe nämlich seit
neuestem ein Handtelefon. Ein Geschenk von meiner Gemeinde, aber ich kann mich
einfach noch nicht daran gewöhnen", erklärte er seinem Schützling
aufgeregt, während er zurück zu seinem Fiat hastete und in der Eile beinahe
über seine lange Soutane gestolpert wäre. Er suchte eine Weile und fischte das
Telefon dann von seinem Rücksitz. "Pronto", meldete er sich atemlos,
um nach einem kurzen Moment Lucie, die ihm zurück zum Auto gefolgt war,
zuzuflüstern: "Gott sei Dank, es ist Olivo und es ist alles in Ordnung.
Anna und Alfredo geht es gut." Lucie atmete hörbar auf und zum ersten Mal
seit Stunden schien die Anspannung in ihr etwas nachzulassen.
Der
Pater übergab ihr das Telefon mit einem kleinen Lächeln, das ihr das Herz
leicht machte.
"Lucie,
Mädchen", erklang Annas Stimme.
"Gott
sei Dank. Ist euch auch wirklich nichts passiert?"
"Nein,
nein. Wir sind völlig in Ordnung. Wie geht es dir denn? Olivo sagte mir, du
hattest einen Unfall?"
"Es
ist gar nichts. Alfredos Wagen hat nicht eine Schramme."
"Ach
Mädchen, ich mache mir doch keine Sorgen um den Wagen. Pass auf dich auf und
Gott segne dich.“
„Dich
auch, Anna. Und nochmals Danke für alles.“
Der
Pater übernahm wieder das Telefon. Danach meinte er zu Lucie, dass Anna ihn
gebeten hatte, zum Berghof zu fahren und zusammen mit ihr zu beten. Er wollte
jedoch noch solange warten, bis der zuvor für Lucie angeforderte Krankenwagen
eintraf. Aber Lucie überzeugte ihn, dass er gleich fahren musste und der
Krankenwagen sicher jede Minute da sein würde.
Seufzend
gab der alte Pfarrer nach. Lucie wartete kurz, bis er hinter der ersten Kurve
verschwunden war, dann stieg sie in Alfredos Wagen und fuhr davon. Sie wollte
jetzt nur nach Hause zu ihrem Bruder.
Zehn
Minuten später schlug das Funkgerät in Olivos Polizeiwagen an. Dieser parkte
dicht hinter dem deutschen Geländewagen der B-Mannschaft der Entführer. Auf dem
sonst ruhigen, einsam gelegenen Hof herrschte ein noch nie da gewesenes
Gedränge. Die endgültig hysterischen Hühner und Gänse liefen flügelschlagend
zwischen den diversen Fahrzeugen und dem inzwischen mit einer Plastikplane
abgedeckten toten Entführer hin und her, die Sonne brannte erbarmungslos heiß
auf sie herunter und man musste es dem Sergente Olivo hoch anrechnen, dass er
bei all dem Chaos einen kühlen Kopf bewahrte. Im Gegensatz zu seinem jungen
Kollegen Pitti, der einen Streifschuss an der Schulter abbekommen hatte, war er
unverletzt. Das aufgeregte Federvieh vor sich hertreibend, lief er im Eiltempo
zu seinem Wagen und griff nach dem knatternden Funkgerät. Am anderen Ende
meldete sich ein ratloser Fahrer eines Krankenwagens, der an der angegebenen
Stelle vergeblich nach der verletzten jungen Frau Ausschau gehalten hatte und
anfragte, was er denn nun tun solle?
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