Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
ihm ein Artgenosse seelenruhig den Todesbiss versetzen.
Danach wird die Beute in mundgerechte Häppchen zerkleinert und zum gemütlichen
Schmausen verteilt. Nichts ist grausamer als die Natur selbst, finden Sie nicht
auch? Wir können viel von ihr lernen."
Pater
Simone fand es gar nicht spaßig mit einem leckeren Happen verglichen zu werden
- vor allen Dingen aber fand er, dass es nichts Grausameres gab als den
Menschen selbst. Doch was er antwortete war: "Na, so was, welch´
teuflische kleine Biester aber auch. Glauben Sie mir, ich bin von ihrem
interessanten biologischen Diskurs sehr angetan, aber haben Sie nicht eine
Aufgabe zu erledigen?", erwiderte Pater Simone, den nun eine schicksalsergebene
Ruhe überkommen hatte.
"Natürlich.
Nicht nötig, mich daran erinnern. Ziehen Sie sich aus und zwar alles, inklusive
Ihrer Unterhose und dann rauf auf die Bank." Mit Genugtuung gewahrte
Gabriel den ersten Anflug von Panik, der nun doch über Simones Gesicht huschte.
"Ausziehen?"
Anscheinend war Simone bereit, alle Schmerzen dieser Welt zu ertragen, aber der
Gedanke, sich dazu nackt ausziehen zu müssen, entsetzte ihn zutiefst. Gabriel
beobachtete dieses Phänomen bei Geistlichen nicht das erste Mal. Es schien
ihnen mehr an ihren Kleidern als an ihrem Leben zu liegen.
"Alles,
aber dalli. Ich helfe gerne nach", drohte der Vollstrecker. "Im
Übrigen hatte ihr Herr Jesus bei der Kreuzigung auch keinen Fetzen Stoff am
Leib, die keusche Windel haben ihm erst die bigotten Christen verpasst."
Ohne
dass Simone eine Bewegung wahrgenommen hätte, klickte plötzlich in seiner
Rechten ein großes Klappmesser auf.
"Ist
ja gut." Langsam hob Simone seine Hände und begann das bunte Hemd
aufzuknöpfen, was mit zitternden Händen keine einfache Angelegenheit war.
"Sie
sind übrigens der erste Jesuit, den ich befragen darf." Gabriel dehnte das
Wort extra lange, als wäre es selbst bereits in den Genuss der Streckbank
gekommen. "Sollen ja eine verdammt zähe Rasse sein", fuhr er vergnügt
fort. "Ich habe mir sagen lassen, dass bereits die Indianer am liebsten
Jesuiten gegrillt haben. Was macht sie eigentlich im Gegensatz zu den anderen
Gebrüdern so besonders, dass man sie so gar nicht leiden kann? Vom Protektor
weiß ich, dass kein katholischer Orden so oft aus dem Land gejagt worden ist, wie
der Ihrige“, erkundigte sich Gabriel, während er ihm beim Ausziehen zusah.
Simone, der gerade seine Sandalen abstreifte, hatte sich wieder fest in der
Hand. Er hob den Kopf. "Ich denke nicht, dass wir Jesuiten etwas
Besonderes sind, aber wenn sie das Thema interessiert, erzähle ich ihnen eine
kleine Anekdote: Ein Benediktiner, ein Dominikaner, ein Franziskaner und ein
Jesuit sitzen zusammen in einem Zimmer und beten. Plötzlich geht das Licht aus.
Der Benediktiner betet unbeirrt sein Stundengebet weiter. Der Dominikaner setzt
zu einem langatmigen Vortrag über das Wesen von Licht und Finsternis an. Der
Franziskaner lobpreist Gott, der dem Menschen auch die gnädig verhüllende
Dunkelheit schenkt. Und was macht der Jesuit? Nun, der geht hinaus und wechselt
die Sicherung aus."
"Ausgezeichnet,
das nenne ich einen Schenkelklopfer. Dann habe auch etwas für Sie: Kennen Sie
den eigentliche Grund, warum sich die Menschen bei einer Papstaudienz vor dem Heiligen
Stuhl der Länge nach auf den Boden werfen?"
Pater
Simone schüttelte pflichtschuldigst den Kopf und Gabriel erklärte: "Die
versuchen alle, einen Blick unter seinen Stuhl zu werfen. Der Stuhl Petri wurde
nämlich auf einem der Kreuzzüge den so genannten Ungläubigen gestohlen. Stellen
Sie sich vor, der Papst sitzt mit seinem geheiligten Allerwertesten auf einem
Stuhl unter dem auf Arabisch die Worte: ' Es gibt keinen größeren Gott als
Allah und Mohammed ist sein Prophet’ eingraviert sind." Gabriel
gluckste vor Vergnügen.
"Nun,
wenn ich das nächste Mal bei seiner Heiligkeit vorspreche, werde ich unter
seinem Stuhl nachsehen", erwiderte Simone trocken. Und mit diesen Worten
entledigte er sich seiner blütenweißen Feinrippunterhose, die er ganz oben auf
dem Haufen seiner fein säuberlich zusammengelegten Kleidung ablegte. Nackt und
aufrecht, nur noch bekleidet mit seiner Würde, stand er vor dem Vollstrecker
und sah ihm fest in die Augen. Gabriel erwiderte den Blick mit hartem Glanz,
während die Fackeln darin tanzten wie kleine Lichter der Grausamkeit. Simone
verstand die ihm bestimmte Antwort: Für ihn würde es niemals wieder eine
Audienz beim Heiligen Vater
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