Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
einer Flasche rosafarbenen Hustensaftes unbekannter
Herkunft sowie einer Packung Heftpflaster, war der Schrank leer. Dann entdeckte
er hinter der Flasche mit dem Hustensaft doch noch ein kleines Döschen Dulcolax,
ein Mittel gegen Verstopfung. Seine Mutter musste es hier bei ihrem letzten
Besuch vergessen haben. Er kramte in seinem Gedächtnis und glaubte sich zu
erinnern, dass seine Mutter bei Bedarf zwei Stück zu sich genommen hatte. Ohne
groß darüber nachzudenken – Schmerzen senken die Denkfähigkeit herab -, schluckte
er gleich vier Stück. Immerhin wähnte er sich mindestens doppelt so schwer als
seine zierliche Mutter. Danach legte er sich auf sein Bett und wartete auf die
Wirkung - die prompt einsetzte. Er schaffte es gerade noch rechtzeitig zur
Toilette. Er ächzte und stöhnte. Zwischendurch hörte er Lucie besorgt an die
Türe klopfen, die er mit den Worten, es wäre nur eine kleine Verdauungsstörung,
wegschickte. Es dauerte beinahe eine qualvolle Stunde lang, dann war es
vollbracht und der unverdauliche Schlüssel lag frisch desinfiziert auf der
Ablage über dem Waschbecken. Lukas wusch sein Gesicht mit kaltem Wasser. Was er
jetzt dringend benötigte, war eine Dusche. Als er das Bad verließ, erwartete
ihn allerdings eine doppelte Schildwache. Lucie und Rabea versperrten ihm mit
verschränkten Armen den Weg. Mit verwuscheltem Haar und in knappen grün- bzw.
hellblau farbenen Babydolls entzückend anzusehen, standen sie im Türrahmen,
während ihre Mienen weit weniger entzückend wirkten.
„Raus mit der Sprache, Bruderherz. Da ist doch was faul, du
stinkst zum Himmel, im wahrsten Sinne des Wortes. Findest du nicht, dass du
dich äußerst seltsam benimmst? Du magst doch sonst keinen Knoblauch und dann
verdrückst du gleich eine ganze Knolle davon, und verbarrikadierst dich dann stundenlang
auf dem Thron. Ich will jetzt wissen, was los ist“, blitzte ihn Lucie an, wobei
ihr rechter Fuß, der in einem Plüschpantoffel in der Form eines Schafes
steckte, energisch auf den Holzfußboden stapfte. Leider verursacht Plüsch auf
Holz keinerlei Geräusch. Lukas beobachtete dennoch die Bewegung, nur um den
zwei auf sich gerichteten funkelnden Blicken, der eine stahlblau, der andere smaragdgrün,
auszuweichen.
„Ich warte“,
fauchte Lucie.
Während Lukas noch nach einer glaubwürdigen Antwort suchte, war
unvermittelt ein merkwürdiges, jaulendes Geräusch zu hören, gefolgt von einem
Kratzen wie auf Holz.
„Was war das?“, wunderte sich Rabea und folgte der Richtung, aus
der die Laute kamen. Vor der Wohnungseingangstür blieb sie stehen und lauschte
angestrengt. Nichts. „Das ist bestimmt nur der kleine Hund von der komischen
Contessa gegenüber. Vielleicht hat er dasselbe Bedürfnis wie mein Bruderherz
hier“, erklärte Lucie mit einem boshaften Seitenblick auf den selbigen. Dann aber war das Jaulen
erneut und viel deutlicher zu hören. „Das klingt aber ziemlich laut.
Entweder sind die Wände und Türen hier so dünn oder der Hund treibt sich
draußen im Flur herum. Besser, ich sehe mal nach“, meinte Rabea, während sie
bereits die Wohnungstüre öffnete. Suchend blickte sie im Treppenhaus umher und
hatte den nächtlichen Ruhestörer sofort ausgemacht. Es war tatsächlich der
kleine, braunweiße Wuschelhund der Contessa, der hektisch an der Wohnungstüre
seines Frauchens scharrte. Ab und zu unterbrach er
sein Kratzen, um den Kopf zu heben und ein herzzerreißendes Jaulen auszustoßen.
Rabea, die alle Tiere, egal welcher Rasse oder Größe, liebte, ging
auf ihn zu und ließ sich langsam neben dem Tierchen nieder, um es nicht zu
erschrecken. Ihr fiel auf, dass es seine rosa Schleife verloren hatte. „Na,
kleines Hundchen, hat dich die alte Vettel ausgesperrt“, gurrte sie und
streckte ihre zu einer Faust geballte Hand vorsichtig aus, um den kleinen
Shih-Tzu daran schnuppern zu lassen. Dieser hatte sich Rabea zugewandt und
musterte sie kurz aus großen braunen Augen, dann wandte er sich wieder der Tür
zu und kratzte hektisch weiter. Lucie und Lukas waren Rabea inzwischen gefolgt
und sahen unschlüssig auf die Kniende hinunter. Sie blickte zu ihnen auf: „Was
meint ihr, ob ich einfach klingeln soll? Es ist zwar fünf Uhr morgens, aber
offenbar hat die Alte ihn ja wegen seines Geschäftchens raus gelassen.
Vielleicht ist sie wieder eingeschlafen, schwerhörig oder beides? Oder sollen
wir ihn eine Weile bei uns behalten und ihn ihr erst in ein paar Stunden
zurückgeben? Soll sie sich ruhig ein
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