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Die Seelenpest

Die Seelenpest

Titel: Die Seelenpest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Seidel
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irgendwo verscharrt, seine Familie und die übrigen Opfer jedoch ordentlich begraben wurden. Die ertrunkene Frau aus Shadwell wurde in Gravesend in einem Moor versenkt.
     
     
    N ICHT ZULETZT DIESER V ORKOMMNISSE und der daraus erwachsenen Gerüchte wegen drängte Thomas Morland in den folgenden Tagen auf die erste Einberufung der so genannten Atheismuskommission.
    Teilnehmer waren der Bischof von Middlesex Leonhard Reed, Sir Julian Pinchbeck, der Sekretär des Lordkanzlers Thomas Wolsey: Kardinal und zweitmächtigster Mann im Land. Des Weiteren Doktor Fergus, Rektor der Rechtsschule New Inn, wo, wie es schien, die Seelenpest begonnen hatte, und schließlich Walter Skinner als Berater des Lord Mayor, des Bürgermeisters der Stadt London.
    Das Treffen war für Mittag anberaumt.
    Thomas ließ die Sänfte schon gegen elf Uhr rufen. Er bestieg sie missgelaunt und sorgenvoll, drängte auf Schnelligkeit, um noch vor Ankunft der übrigen Kommissionsmitglieder einzutreffen.
    Die Träger schwitzten, sie stanken wie die Ziegen. In der King Street hatte man einen Haufen bettelnder Kinder eingefangen und in einen Pferch gesperrt. Ein Mann beschüttete die schreienden Kinder mit Wasser. Thomas spielte einen Moment lang mit dem Gedanken, anhalten zu lassen, um zu fragen, was das solle. Dann lenkte ihn ein Wagen ab, der so hoch mit Möbeln beladen war, dass man zu Recht die Angst bekam, er könne umstürzen. Sechs Ochsen zogen das haushohe Bauwerk auf vier wackligen Rädern durch die Straße.
    Thomas schüttelte sich. Unweit, zur Linken, nur ein kleines Stückchen die alte Catteaton Street nach Osten hoch, lag das Rote Viertel, Love Lane, Maid Lane und wie die schlimmen Gassen alle hießen. Es ärgerte ihn jedes Mal, wenn er daran dachte. Wie oft war er fast dort gewesen und hatte sich vom Teufel selbst beinah verführen lassen! Und Gott? Gott ließ den Satan frei gewähren. Nicht bloß damals bei den Kartäusern, den guten Mönchen, für die Thomas sich als junger Mann entschieden hatte. Es nahm kein Ende! Der Teufel wollte ihn noch mal besiegen, denn keine Tour nach Guildhall, dem alten Parlamentsgebäude, wo die Kommission sich treffen würde, war jemals fromm verlaufen und ohne dass die abgrundtiefen Reize wie aus dem Nichts ihm in den reinen Sinn gefahren wären. Er hasste es so sehr, dass er sich vor Jahren von einem Bader ein goldenes Häkchen in die innere Wange hatte nähen lassen. Sobald er lachen musste, tat es weh, und er verlernte es. So gründlich damals, dass auch die Kinder, wenn sie mit ihm tollten, sich wohl wunderten, dass er nicht schmunzeln konnte. Erst später, als die Abszesse in der Wange nicht mehr heilen wollten, hatte er die Zwicke aus dem Mund entfernen lassen und sich mit seinem alten Nesselhemd begnügt.
    Er nahm die Peitsche jetzt und schlug die Sänftenträger. Tüchtig drauf! Dann, zähneknirschend, bezwang er sich und spuckte aus, stieß die Peitsche wütend in ihr Futteral zurück und machte heimlich Fäuste.
    Guildhall war erreicht. Vor dem Tor zum Innenhof hatte sich ein Stau gebildet. Vier Wagen warteten, zwei Dutzend Reiter oder mehr und eine Menge Träger, Arbeiter, Passanten, Boten sowie eine Herde Schafe zwischendrin, die vor den Hunden, die sie trieben, flüchteten.
    Thomas schrie Befehle in den allgemeinen Lärm, die Träger hielten an. Er bezahlte und stieg aus, bahnte sich einen Weg zum Eingang und winkte einen Büttel heran, der ihn erkannte und zum Seitentürchen bat. Er betrat den Hof, wischte sich die Stirn und dankte Gott, dass er dem Mob entkommen war.
    Der Majordomus kam aus dem Haus gelaufen, streckte die Hand zum Gruß vor und stürzte beinah auf den Boden.
    »Sir Thomas, Sie kommen wie gerufen, Gott sei Dank! Und guten Morgen! Ich bin ganz aufgelöst und völlig ratlos. Was ist los? Alle Welt will in den Hof, als ob die Pest grassiert!«
    Thomas grüßte unwillig zurück. Er streckte ebenfalls die Hand vor, aber um den Speichellecker fern zu halten.
    Der Mann verbeugte sich und wies Sir Thomas den Weg zu dem mächtigen Portal des dreistöckigen Gebäudes, das wie ein Berg den grauen Himmel abschnitt.
    »Wenn Sie, der Majordomus, vor diesem Mob die Waffen strecken«, sagte Thomas, »was soll dann das Parlament ausrichten? Ich dachte immer, Sie sind Herr im Haus!« Er lachte falsch.
    Der Majordomus wurde bleich und schwieg. Als sie am Hauptportal angelangt waren, riss er einen Flügel auf, empfahl sich und lief davon.
    Thomas folgte dem Flur bis zu einer breiten Treppe, die zu

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