Die Sehnsucht des Dämons (German Edition)
Training einen schlichten weißen Briefumschlag. „Julian bat mich, dir das zu geben“, sagte er und rollte seine Matte zusammen.
Was war das? Versuchte es der Erzdämon jetzt mit Bargeld? Einem Vertrag für eine Eigentumswohnung? Mit zitternden Fingern öffnete sie den Umschlag, aber er enthielt nur eine handgeschriebene Notiz auf cremefarbenem Papier. Die Handschrift schien aus einem vergangenen Jahrhundert zu stammen, elegante Schriftzüge, mit Schnörkeln verziert.
Meine liebe Serena ,
bitte nimm meine ehrliche Entschuldigung für die Störung deines Privatunterrichts vergangenen Sonntagnachmittag an. Ich veranstalte heute Abend in meinem Haus eine kleine intime Zusammenkunft und wäre geehrt, wenn du daran teilnähmest. Es wird dich interessieren, dass auf der Gästeliste auch jemand steht, den du möglicherweise kennst: der Fotograf Andrew St. Clair.
Mit herzlichen Grüßen, J.
Es folgten die Details zu seiner Adresse in Beverly Hills. Von einem Dresscode war die Rede.
Doch Serena konnte nicht weiterlesen. Da stand der Name ihres Bruders, in Julians verschnörkelter Handschrift geschrieben – etwas anderes sah sie gar nicht mehr. Andrew.
Er war zwei Jahre älter als sie, aber gefühlt hundert Jahre klüger. Im Alter von fünfzehn Jahren musste Andrew nach dem Tod des Vaters den Mann im Haus ersetzen. Als sie weinend am Grab ihres Vaters stand, während der Sarg in die Erde gesenkt wurde, nahm er sie in den Arm. Ihr Bruder wurde zu ihrem Beschützer, ihrem Verbündeten, ihrem Held. Allerdings war Andrew nur ein Mensch. Kein Gegner für einen Dämon.
Ihr wurde übel. Die Einladung rutschte ihr aus der Hand und fiel zu Boden. Der Raum begann sich gefährlich schnell zu drehen, und einen Moment lang dachte sie, sie würde ohnmächtig.
Im nächsten Moment stand Nick neben ihr und drückte sie an seinen muskulösen, vom Training verschwitzten Körper. „Alles okay?“
„Es geht mir gut. Ich bin nur ein bisschen … wetterfühlig.“ Sie presste die zitternden Finger auf die Schläfen und machte sich von ihm los.
Nick hob die Einladung auf und las sie. „Was läuft da zwischen dir und Julian?“
„Absolut gar nichts.“ Serena schämte sich. Sie log nie – nicht einmal Notlügen kamen ihr über die Lippen. Doch seit sie Julian kannte, war alles anders.
„Du brauchst dich nicht genötigt zu fühlen, hinzugehen, nur weil ich mit ihm befreundet bin.“
„Natürlich nicht.“
„Und wer ist dieser Andrew St. Clair? Ihr habt denselben Nachnamen. Ist er …?“ Nick versuchte die Verbindung herzustellen. Göttliche Eingebung verhinderte es.
„Das ist wohl nur ein Zufall.“
„Wir können ja zusammen auf die Party gehen.“ Er sah sie mit hochgezogenen Brauen an.
Eine Weile sagte Serena gar nichts. Blieb ihr eine Wahl? Nein. „Klar.“
Ein Lächeln breitete sich auf Nicks Gesicht aus. „Fantastisch. Ich hole dich um acht Uhr ab.“
„Klingt gut.“ Lieber Gott, in welches Dilemma bugsierte sie sich da hinein?
„Abgemacht.“
Mist.
Nick verließ das Studio so glücklich, wie sie ihn noch nie gesehen hatte. Sofort bekam sie ein schlechtes Gewissen. Sie führte Nick vor. Schlimmer noch, sie benutzte ihn als Schutzschild gegen Julian Ascher. Arielle hatte zwar nie eigens betont, dass man seine Schutzbefohlenen nicht als Puffer gegen dämonische Mächte einsetzen sollte, aber Serena war sich dennoch sicher, dass dies den Statuten der Kompanie zuwiderlief.
Doch der Erzdämon war ihr persönliches Thema. Das Leben ihres Bruders war in Gefahr, und sie würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um Julian aufzuhalten. Er durfte nicht gewinnen. Sie stopfte die Einladung in ihre Tasche und verließ das Studio.
Nachdenklich stand sie in ihrem Schlafzimmer und starrte in ihren geöffneten Kleiderschrank. Um sie herum verstreut lagen Kleidungsstücke. Das sonst immer tadellos ordentliche Zimmer ähnelte jetzt einem Flohmarkt.
Abendkleidung stand auf der Einladung. Nichts von Serenas Garderobe, die überwiegend aus Yogaklamotten und schlichten Kleidern bestand, fiel unter diese Kategorie. Dabei war es völlig nebensächlich, ein Kleid für den Abend zu finden. Indem sie jedes einzelne Kleidungsstück anprobierte, das sie besaß, versuchte sie sich lediglich von ihren Sorgen abzulenken.
Davon, dass das Leben ihres Bruders womöglich auf dem Spiel stand.
Andrew.
Sie warf das nächste Kleidungsstück hinter sich. Ihre Brust schnürte sich vor Traurigkeit zusammen. Innerhalb von zehn Jahren hatte
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