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Die Seidenbaronin (German Edition)

Die Seidenbaronin (German Edition)

Titel: Die Seidenbaronin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rauen
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eine löchrige Decke gebreitet. Vor ihr stand Johanna.
    «Es geht zu Ende mit ihm», sagte die Alte. «Er möchte Sie noch einmal sehen.»
    Schlagartig kehrte Paulinas Erinnerung zurück.
    Diese Frau hat tatenlos zugesehen, wie mein Vater meine arme Mutter missbraucht hat, dachte sie. Und nun erwartet sie, dass ich diesem Unmenschen in der Stunde seines Todes Absolution erteilte. Niemals werde ich ihm oder der grauenhaften Alten verzeihen!
    Paulina blickte durch die Fenster in die einsetzende Morgendämmerung hinaus. Hieß es nicht, dass die Sterbenden warteten, bis es Tag wurde, bevor sie endgültig hinübergingen?
    Mühsam erhob sie sich von ihrem Lager und musste sich an Johanna festhalten, weil ihr wieder schummrig wurde. Unwirsch wehrte sie die dargebotene Hand der Magd ab und wankte zur Tür.
    Als sie das Zimmer ihres Vaters betrat, stand der Pastor mit gefalteten Händen vor dem Bett des Barons und betete. Man hatte Jobst von Gralitz ein weiteres Kissen in den Rücken gelegt, sodass er halb aufrecht im Bett saß. Seine Augen waren geschlossen.
    Nach seinem Gebet verweilte der Pastor noch einen Moment in stiller Andacht, dann blickte er die junge Frau aus seinen gütigen Augen an. «Ich habe ihm gesagt, dass Sie ihm verziehen haben. Er hat nun seinen Frieden gefunden.»
    «Aber … ist er schon tot?»
    «Er ist verschieden, kurz bevor Sie ins Zimmer kamen. Die letzten Stunden waren eine große Qual für ihn. Da erschien es mir nicht verwerflich, zu dieser kleinen Notlüge zu greifen.»
    «Wie konnten Sie nur mit ihm Erbarmen haben?», fragte Paulina mit erstickter Stimme. «Sie haben doch mit eigenen Ohren gehört, welches Leid er meiner armen Mutter bereitet hat!»
    «Vor Gott findet jeder Schuldige Gnade.»
    «Nicht jeder hat Gottes Gnade verdient!»
    Der Pastor hob beschwörend die Hand. «Versündigen Sie sich nicht, mein Kind! Der schwere Schicksalsschlag, der Sie getroffen hat, verleitet Sie zu ungewöhnlicher Härte. Sie dürfen Ihren Vater nicht mit Hass im Herzen gehen lassen. Ich empfehle Ihnen dringend, Erlösung im Gebet zu suchen.»
    Paulina spürte, wie ihr erneut schwindelig wurde. Übelkeit stieg in ihr auf, und sie fühlte sich unendlich schwach. Die beklemmende Stimmung, die in dem Sterbezimmer herrschte, erschien ihr mit einem Mal unerträglich. Fluchtartig stürzte sie zur Tür.
    Im Flur kam ihr der Arzt entgegen.
    «Allmächtiger, Sie sind ja weiß wie eine Wand!», rief er. «Die ganze Aufregung ist nicht gut in Ihrem Zustand!»
    «Es ist zu Ende mit ihm», flüsterte Paulina.
    «Nun ist er von seinem Leiden erlöst, glauben Sie mir, gnädige Frau.» Ein trauriges Lächeln glitt über das Gesicht des Arztes. «So ist das Leben nun einmal – das eine geht, das andere kommt.»
    Paulina fasste sich an den schmerzenden Kopf.
    «Ich werde mich ein wenig hinlegen. Mir ist schon die ganze Zeit so komisch. Wenn ich nur wüsste, was mir fehlt!»
    Das Lächeln des Arztes wurde breiter. «Nun, da kann ich Ihnen auf die Sprünge helfen. Hinsichtlich Ihrer Beschwerden besteht kein Grund zur Besorgnis. Alles beruht auf einem ganz natürlichen Vorgang. Ich kann es noch nicht mit allerletzter Gewissheit bestätigen, aber ich bin mir einigermaßen sicher. Sie erwarten ein Kind, gnädige Frau.»

Kapitel 21
    Crefeld, Mai 1792
    Paulinas Tochter wurde an einem regnerischen Frühlingsmorgen geboren. So wie die Geburt vonstattengegangen sei, werde dieses kleine Mädchen sich zu einer eigensinnigen und herrschsüchtigen Frau entwickeln, prophezeite die Hebamme und fügte mit einem Seitenblick auf Paulina hinzu: «Genauso wie die Mutter.»
    Diese hatte nach den Schmerzen und Ängsten der Niederkunft keine Kraft mehr, zu protestieren und betrachtete ein wenig befremdet das rosige Wesen, dem sie das Leben geschenkt hatte. Sie bat darum, dem frischgebackenen Vater die freudige Nachricht zu überbringen, doch die Hebamme sagte ihr schonungslos und mit einer gewissen Schadenfreude, dass dieser sich schon am Abend zuvor, bei den ersten Anzeichen der einsetzenden Geburt, aus dem Staub gemacht habe und seitdem noch nicht wiederaufgetaucht sei.
    So war denn der erste Besucher der neuen Erdenbewohnerin nicht ihr Vater, sondern der Großvater. Er hatte es sich nicht nehmen lassen, sofort aus dem Kontor herüberzueilen. Voller Stolz begutachtete er sein zweites Enkelkind.
    «Welchen Geschlechts das Kind ist, kann in diesem Fall als unerheblich betrachtet werden», bemerkte er trocken. «Das Wichtigste ist, dass wir eine

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