Die Seidenbaronin (German Edition)
mit Ihren grauenvollen Geschichten den ganzen Abend, meine Herren! Und Sie, Madame, lassen Sie uns endlich unsere Partie zu Ende spielen!»
«Das gnädige Fräulein hat recht», stimmte von Badenburg zu. «Sie sollten sich Ihre hübschen Köpfe nicht über das düstere Kriegstreiben zerbrechen.»
Paulina versuchte, sich zu sammeln. Was sie soeben erfahren hatte, machte sie zutiefst betroffen. Auch wenn Conrad von Ostry den erneuten Überfall der Franzosen schon lange vorhergesagt hatte, war immer so etwas wie Hoffnung geblieben, dass die verbündeten Truppen es schaffen könnten, die Revolutionäre zurückzuschlagen. Und nun schienen die Franzosen erneut auf dem Weg in Richtung Niederrhein zu sein.
«Was ist, Madame?», drängte die Baronin. «Sie wollen doch wohl jetzt nicht kneifen, nur weil Sie wieder ein schlechtes Blatt haben?»
In Gedanken woanders, sah Paulina in ihre Karten.
«Ich habe heute eben kein Glück im Spiel», murmelte sie.
«Wie heißt es so schön?», dozierte von Plirnitz. «Pech im Spiel – Glück in der Liebe. Nun fragt sich nur noch, wer in Ihrem Fall der Glückliche ist!»
«Das würde mich auch interessieren, Madame», ertönte hinter Paulina eine Stimme, die ihr bekannt vorkam. «Darf man fragen, ob Sie tatsächlich Glück in der Liebe haben?»
Sie fuhr herum. Eine Vision tauchte vor ihr auf – ein junger Mann in der rot-weiß-blauen Uniform des hannoverschen Regiments. Seine bernsteinfarbenen Augen funkelten im Schein der Leuchter, in seinem Blick lag eine leichte Melancholie.
«Christian», flüsterte Paulina.
Er hatte sich verändert in den letzten vier Jahren. Die jugendliche Frische war aus seinen Zügen verschwunden, sein Gesicht war kantiger geworden. Das ehemals schulterlange Haar lag nun kurz und in streng zurückgekämmten Wellen um seinen Kopf.
Paulina war so fassungslos, dass sie kein weiteres Wort über die Lippen brachte.
«Ich kann mich erinnern, dass Sie bei unserer letzten Begegnung etwas gesprächiger waren, Madame», sagte der junge Mann.
Paulina zuckte zusammen.
«Oder habe ich mich etwa so verändert, dass Ihnen die Worte fehlen?», fragte er weiter.
«Vielleicht findet die gnädige Frau dieselben wieder, wenn ich ihr erzähle, dass sie einen der Helden von Menin vor sich hat», warf von Plirnitz dazwischen. «Premierleutnant von Bahro hatte neben Hauptmann Scharnhorst maßgeblichen Anteil daran, dass uns der Durchbruch gelang.»
Mit der Bemerkung des jungen Offiziers kehrte Leben in Paulina zurück. Langsam stand sie von ihrem Stuhl auf und ging auf Christian zu. Sie blieb vor ihm stehen und sah ihn an.
«Der große Held von Flandern», sagte sie verächtlich. «Für mich waren Sie auch einmal ein großer Held. Leider hat sich mein großer Held als großer Feigling herausgestellt.»
Hocherhobenen Hauptes ging sie an ihm vorbei.
«Und was wird aus unserem Spiel?», zeterte die Baroness von Mahringen hinter ihr her. «Außerdem schulden Sie mir noch fünfzig Taler!»
«Ich werde Ihnen die Summe bezahlen», hörte Paulina Christian in barschem Ton sagen. «Melden Sie sich morgen bei meinem Leibdiener.» In wenigen Schritten war er bei ihr und fasste sie brüsk am Arm. «Sind Sie wahnsinnig geworden, mich vor allen Leuten so bloßzustellen?»
Sie riss sich los. «Was haben Sie denn erwartet? Dass ich Ihnen um den Hals falle, nach allem, was Sie mir angetan haben?»
Wieder packte er ihren Arm. «Kommen Sie!»
Entschlossen führte er sie durch eine weit geöffnete Flügeltür in den Garten des gräflichen Palais. Auf einer von Hecken umgebenen Rasenfläche plätscherte ein kleiner Springbrunnen. Die sauber angelegten Wege waren von kleinen Lämpchen beleuchtet, die in Bäumen befestigt waren und vom Wind hin- und hergeschaukelt wurden. Die frische nächtliche Kühle war wie ein Vorbote des kommenden Herbstes.
Paulina wandte den Kopf zur Seite und betrachtete Christians undurchdringliches Gesicht. War das wirklich der Mann, den sie vor vier Jahren über alles geliebt hatte?
Er blieb stehen und drehte sie zu sich um. «Woher nehmen Sie das Recht, mich so zu behandeln?»
Paulina schnappte erbost nach Luft. «Und wie haben Sie mich seinerzeit behandelt, als Sie meine Liebe zurückgewiesen haben?»
«Ich habe Ihre Liebe nicht zurückgewiesen», entgegnete er schroff und ließ Paulina los. «Ich habe Sie lediglich gebeten, noch ein wenig auf mich zu warten, nachdem ich auf Wunsch meines Vaters in die Armee eingetreten bin. Ist es meine Schuld, dass
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