Die seidene Madonna - Roman
VIII., und dessen Schwester Anne de Beaujeu, die französische Regentin, empfangen.
»Was wollt Ihr denn bestellen, mein Liebchen?«, fragte Philipp seine Gattin.
Johanna war keine große Verehrerin der Tapisseriekunst und
nun ein wenig verlegen. Alix wusste von ihrer großen Frömmigkeit und kam ihr zu Hilfe.
»Wenn Ihr erlaubt, Hoheit, würde ich Euch einen Kirchenteppich zum Thema Christi Geburt vorschlagen. Dieses Motiv kenne ich sehr gut und arbeite auch gerade daran. Ich bin sicher, das heitere, schöne Gesicht einer Madonna und das ihres neugeborenen Kindes, umringt von gnädigen Engeln, wäre eine Zierde für die Wände der großen Kapelle auf Eurem Schloss in Kastilien.«
Alix unterdrückte ihre Rührung und wurde ruhiger, weil sie sehr zufrieden war mit ihrem Vorschlag. Hatte sie nicht Louise das gleiche religiöse Thema für die Oberin des Konvents in Cognac vorgeschlagen? Das Zeichnen der Madonnen, die sie aus Italien bekommen hatte, inspirierte sie so sehr, dass sie immer neue entwerfen wollte.
Johanna nickte zustimmend, wandte sich dann Arnaude zu, die an einem Flachwebstuhl arbeitete, und begutachtete die Zeichnung auf dem Karton, der dahinter befestigt war.
Ganz ungezwungen nahm Philipp von Österreich Jacquou am Arm und führte ihn so selbstverständlich in den anderen Teil der Werkstatt, als wären ihm die Räumlichkeiten gut bekannt.
»Sollen die Damen doch ohne uns über Christi Geburt diskutieren.«
Er deutete auf einen Hochwebstuhl und sagte:
»Wie ich sehe, arbeitet Ihr an Eurem Hochwebstuhl, Meister Cassex. Ist das vielleicht der Auftrag von König Ludwig?«
»Ja, ich habe schon damit begonnen. Die Kampfszenen beschäftigen mich Tag und Nacht. Ich will sie ganz natürlich, ohne alles Brimborium. Mein Freund, der Maler Van Orley, den Ihr auch schon kennengelernt habt, zeichnet mir die großen Motive, die am wichtigsten sind.«
Wie nicht anders zu erwarten, zeigte sich Philipp von dem Kriegsthema sehr angetan.
»Könntet Ihr mir eine spanische Schlachtszene auf Eurem im Val de Loire so beliebten Millefleurs-Hintergrund machen?«
Jacquou zögerte. Er wusste nämlich nicht, wie man einen Erzherzog korrekt ansprach, und auch nicht, welchen Titel man verwenden musste, wenn man sich an ihn wandte. Auch wenn das Land Österreich nicht sehr weit weg von Frankreich war, gab es dort doch bestimmt andere Sitten, und ein Erzherzog war kein König, ein König kein Herzog. Jacquou verwechselte diese protokollarischen Titel gern, mit denen sich Alix besser zurechtfand als er. Noch war Philipp nicht Kaiser von Österreich, aber durch seine Ehe mit Johanna König von Kastilien.
»Aber natürlich, Eure Hoheit«, sagte er schließlich zögerlich. »Alle Verehrer der Tapisserie sind begeistert von unseren prächtigen Teppichen. Was haltet Ihr davon, wenn ich für Eure Schlachtszene ein Motiv aus Cäsars Geschichte nehme, wie er zum Beispiel den Rubikon überschreitet? Natürlich hätte er Euer Gesicht, und die Pferde würden die Millefleurs zertreten, die überall auf dem Ensemble zu finden wären«.
In der Werkstatt nebenan stand Alix vor dem gleichen Problem. Immerhin hatte sie gehört, wie Louise Johanna von Kastilien mal mit Hoheit und mal mit Majestät angeredet hatte.
»Ich könnte mir ein über die Maßen keusches klassisches Madonnengesicht vorstellen, Hoheit«, erklärte sie Johanna von Kastilien. »Eine hohe, weiße Stirn, das Gesicht von einem blauen Schleier mit goldenem Rand umschlungen, so dass man nur die Umrisse einiger brauner Locken erahnt, vollkommen geformte Wangen über einem vornehm weißen Kinn, dessen Spitze nur angedeutet ist, ein Anflug von einem Lächeln, ihr Blick ist ruhig und heiter, aber aufmerksam auf das Kind gerichtet, das sie im Arm hält.«
Da bemerkte sie plötzlich, dass sie gerade genau das Gesicht von Johanna von Kastilien beschrieben hatte. Diese Interpretation gefiel der Königin und sie gab ihre Bestellung sofort in Auftrag.
Johanna unterhielt sich kurz mit Arnaude und Florine, die extra wegen ihr in die Werkstatt zurückgekommen waren. Dann öffnete sie eine Börse und gab jeder einige Münzen. Den beiden Frauen blieb fast die Luft weg, weil es sich nicht um ein paar Sous oder Silberlinge handelte. Nein, es waren richtige schöne Louisdors, die schwer in der Hand lagen und funkelten und blitzten. Solche Goldstücke hatten sie noch nie gesehen.
»Das ist für Eure Arbeit«, sagte Johanna in ihrem guten Französisch zu ihnen. »Macht mir eine keusche,
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