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Die Seidenstickerin

Die Seidenstickerin

Titel: Die Seidenstickerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyne Godard
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beiden Mädchen der übrigen nassen Fetzen, die sie noch am Leib hatten. Sie waren dabei weder verlegen noch ängstlich, obwohl ihnen der Graf d’Angoulême voller Wohlgefallen zusah; er wusste nämlich die vollkommenen Rundungen ihrer Schenkel, ihre schmalen Hüften und ihren festen Bauch sehr zu schätzen.
    Kardinal de Villiers dagegen blieb von der Nacktheit der beiden Mädchen unbeeindruckt und tat so, als fiele ihm nicht auf, dass sich Charles d’Angoulême zunehmend für sie interessierte.
    Die Alte reichte den Männern Pelerinen.
    »Na, was ist los?«, rief sie, »wie lang wollt Ihr denn noch tropfnass vor diesen Mädchen rumstehen? Komm her, Guillemette, trockne die drei Männer ab, und rubbel sie schön trocken. Ich kümmer mich um die Demoiselles.«
    Also mussten sich jetzt auch die drei Gefährten unter den neugierigen Blicken von Constance und Alix nackt ausziehen. Der Kardinal war groß und schlank und trotz seiner fünfzig Jahre sehr gut gebaut. Er hatte sich allerdings sittsam umgedreht und zeigte den jungen Mädchen nur seinen breiten, muskulösen Rücken.
    Charles d’Angoulême zog ganz ungeniert seine Beinkleider aus und präsentierte den Mädchen – Guillemette eingeschlossen, die sich von dem Spektakel nichts entgehen lassen wollte – den Anblick eines sicher zwischen kräftigen behaarten Schenkeln verstauten munteren Glieds, das der Wollmantel erst nach einigem Zögern der jungen Dienerin ihren Blicken entzog.
    Als schließlich alle trocken waren und in warmen Pelerinen und Stiefeln steckten, gingen sie durch die oberen Ställe, in denen die Pferde trocken gerieben und gefüttert wurden. Weil unten alles überschwemmt war, musste man sich auf dem noch trockenen Zwischenboden einrichten. Constance und Alix hatten sich beruhigt und waren wieder guter Dinge.
    Im Vorbeigehen warf Constance einen Blick auf die alte Marie-qui-crie mit ihrem Eimer, zeigte auf die Milch und sagte leise zu ihr:
    »Ich geb dir einen Heller, wenn wir eine schöne Schüssel von der Milch bekommen.«
    Aber Charles d’Angoulême, dem nichts entging, was Constance sagte oder machte, wiederholte lachend:
    »Und ich geb dir einen Taler, wenn wir den ganzen Eimer bekommen!«
    »Jesus Maria!«, brüllte die Alte, die Marie-qui-crie hieß, weil sie stocktaub war, seit sie ihre Mutter eines schönen Wintermorgens zur Welt gebracht hatte. Ehe sie sich davonmachte, hatte die verrückte Frau ihr Kind ganz unten in der Mehlkiste versteckt. Es hieß, die Alte sei taub, weil sie damals mehr als drei Tage in der Mehlkiste gelegen und geschrien hatte, was ihr zwar nicht das Leben genommen, aber ihr Trommelfell ruiniert hatte.
    »Sicher kriegt Ihr gute, warme Milch, meine Herzchen, aber da kommt noch Schinken und frisch geröstetes Brot rein«, sagte die Alte, die zwar kein Wort verstanden, aber gemerkt hatte, was für begierige Blicke die jungen Mädchen auf ihren Milcheimer geworfen hatten. Etwas später stärkten sie sich alle mit gutem Appetit.
    Über eine kleine Wendeltreppe kamen die jungen Damen dann in die obere Etage, wo sie ein bequemes Schlafzimmer erwartete. Dazu muss man wissen, dass Meister Fourgaults Gasthaus am Ende der Brücke um diese Jahreszeit mit den ständigen Unwettern, Sturm und Überschwemmungen leer stand.
    Alix war völlig erschöpft, legte sich hin und schlief sofort ein. Aber Constance bekam kein Auge zu und stand noch einmal auf, um eine Kerze zu holen – oder in der Hoffnung, den Grafen d’Angoulême zu treffen, den sie vorher im Flur hatte stehen sehen; wahrscheinlich war auch er auf der Suche nach einem Kerzenstummel, damit er Licht hatte.
    »Wer ist da?«, hörte sie eine Stimme vom anderen Ende des dunklen Gangs.
    Constance streckte den Arm mit der Kerze vor sich.
    »Und wer ist da?«, gab sie zurück.
    »Wen sehe ich denn da?«, flüsterte der Graf d’Angoulême entzückt und beleuchtete mit seiner Kerze das Gesicht des jungen Mädchens. »Hat der Schreck mit der umgestürzten Kutsche unsere schöne Constance nicht ihrer letzten Kräfte beraubt?«
    »Nein, Monsieur Charles, mir geht es wirklich ausgezeichnet. Außerdem kann ich mich jetzt endlich dafür bedanken, dass Ihr mich auf Eurem Pferd mitgenommen habt. Ich glaube, Euer warmer Körper hat meine erschöpften Lebensgeister wieder geweckt. Ihr habt mich vor einem Fehltritt bewahrt.«
    Sie drückte sich vornehm und gewählt aus und sah ihn gerade so unternehmungslustig an, dass der Graf d’Angoulême annehmen durfte, er könne etwas wagen.
    Die

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