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Die Shakespeare-Morde

Die Shakespeare-Morde

Titel: Die Shakespeare-Morde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Lee Carrell
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achthundert
     Meter zurück. Zeit ergab hier unten keinen Sinn.
    Plötzlich griff ich in
     etwas Matschiges, und der stechende Gestank von Ammoniak drang in meine
     Nase. Der Tunnel verschwand - zumindest Wände und Decke. Ich sah auf.
    Und sah schnell wieder nach
     unten. An der Decke hingen Fledermäuse, Tausende, dicht gepackt wie
     Bienen in einem Bienenstock, und sie starrten mit hellen Augen zu uns
     herab. Als der Lampenschein sie traf, stoben sie auf und flatterten in
     einer fiependen, schwirrenden Wolke durch die Höhle. Ich kniete mit
     geschlossenen Augen im Dreck und hielt mir die Ohren zu, bis sie sich allmählich
     wieder beruhigten.
    Und dann sah ich, dass sich
     der Dreck bewegte.
    Es war kein Dreck. Es war
     Guano. Und er lebte. Eine wimmelnde Masse von Insekten, Tausendfüßlern
     und Spinnen, durchsichtig und blind.
    So schnell wir konnten, kämpften
     wir uns auf allen vieren durch die Höhle. Wir versuchten das
     Schwirren der Fledermäuse über uns und das Krabbeln der Insekten
     am Boden auszublenden. Die Höhle war nicht sehr groß,
     vielleicht vier oder fünf Meter lang. Bald hatten wir einen weiteren
     Tunnel erreicht, der tiefer in den Berg führte. Wir mussten ein paar
     Felsbrocken hinaufklettern, um die Öffnung zu erreichen. Ich duckte
     mich hinein und lehnte mich keuchend gegen die Wand. 
    »Willst du aufhören?«,
     fragte Matthew.
    Aus der Dunkelheit tauchten
     Dr. Sanderson und Mrs Quigley und Athenaide vor mir auf. Folge dem Weg,
     den es dir weist, flüsterte Ros’ Stimme. Doch ich konnte ihr
     Gesicht nicht sehen. Ich schüttelte den Kopf und kam wieder auf die Füße.
     »Gehen wir.«
    Der Gang war hoch genug, dass
     wir gebückt gehen konnten, mit einer Hand an der Decke. Ich hielt den
     Kopf so, dass die Lampe vor uns auf den Boden leuchtete. Hier war weniger
     Guano, und bald war er ganz verschwunden. Die Fledermäuse kamen nicht
     so tief in die Höhle.
    Der Gang machte mehrere
     Biegungen. Dann griff meine Hand plötzlich ins Leere, und ich blieb
     stehen. Bevor ich ihn halten konnte, schob sich Matthew an mir vorbei,
     taumelte und rutschte ab. Ich packte ihn, bekam seinen Arm zu fassen, und
     riss ihn zurück in den Gang. Einen Moment lang lagen wir keuchend am
     Boden.
    Matthew setzte sich zuerst
     auf.
    »Tu das nie wieder«,
     sagte ich mit zusammengebissenen Zähnen. »Wenn ich stehen
     bleibe, bleibst du auch stehen.«
    »Okay.«
    »Ich meine es ernst.
     Wenn du die Gefahren, die in den Höhlen lauern, nicht ernst nimmst,
     bist du ruck, zuck tot. Oder, wenn du Pech hast, langsam.«    
    »Schon gut. Tut mir
     leid. Aber hast du das gesehen?«
    Ich setzte mich auf und sah
     mich um.
    Vor uns öffnete sich die
     vollkommene, unergründliche Tiefe des Raums. Etwa einen Meter unter
     uns verschwand der Fels in einer Schlammfläche, die sich wie
     polierter Marmor in der Dunkelheit verlor. Wir schienen am Ende eines
     riesigen Saals zu stehen. Ich hatte keine Ahnung, wie groß er sein
     mochte - ich spürte nur, dass die Finsternis hier aus Leere bestand,
     die schwerelos war. Und die Erde war wüst und leer.      
    Doch wüst war es hier
     nicht. Das Stück der Felswand, das ich sehen konnte, war von einer
     welligen Schicht bedeckt, die aussah wie geschmolzenes Glas und im Schein
     der Lampe rot, orange und rosa, gelb und bernsteinfarben funkelte: in
     allen Farben der Sonne, die diese Kammer nie zu sehen bekommen hatte.
    »Hallooooo!«,
     rief Matthew, und der Klang seiner Stimme hallte im leeren Raum der Höhle
     wider und steigerte sich in tausend Spalten zu einem vielfachen Echo.
    Die einzige Antwort, die wir
     bekamen, war ein einzelner Tropfen Wasser, ebenfalls gesteigert und
     vervielfältigt, ein scharfes Ploppen wie ein Hammerschlag. Der
     Prozess, der diese Höhle erschaffen hatte, lange bevor die Menschen
     von den Bäumen stiegen und von der afrikanischen Savanne aus die
     ganze Welt bevölkerten.
    Matthew zeigte nach links.
     Eine Fußspur führte in die Halle. Jemand hatte vor uns diesen
     Ort betreten.
    Vorsichtig ließ ich
     mich von dem Sims herunter. Ich versank bis zu den Knöcheln im
     Schlamm. Glücklicherweise war er glatt und bewegte sich nicht. Ich
     machte ein paar Schritte an der Wand entlang und stellte fest, dass wir in
     einer Art Ausbuchtung einer größeren Halle standen, so ähnlich
     wie die Seitenkapelle einer Kathedrale. Vor und hinter uns ragten Säulen
     aus nassem, glänzenden Stein in die Dunkelheit hinauf, wo mein

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