Die Spur der Woelfin
war. Der Streit mit Patrick vor ein paar Tagen hatte das nur mehr als
deutlich gezeigt.
Noch immer verstand er nicht, warum Laura ihm vor ein paar Tagen so viel
von sich erzählt hatte. Sie war zu betrunken gewesen, als dass er ihr einen Hintergedanken
hätte unterstellen können, aber es irritierte ihn. Und es brachte ihn
durcheinander. Entgegen der anderen hatte er sie nicht kennen lernen wollen. Er
hatte nichts von ihr wissen wollen und nur darauf gewartet, dass sie irgendwann
wieder gehen würde. Und jetzt war er plötzlich in der prekären Lage, mehr über
sie zu wissen als irgendein anderer im Haus. Er ahnte, dass nicht mal Patrick
so viel von ihr wusste.
Ihre Geschichte hatte ihn erschüttert. Wider Willen hatte sie ihm Leid
getan, auch wenn er es ihr nie gezeigt hätte. Er hatte nur wenige Erinnerungen
an seine Eltern, Patrick hatte ihn als halbes Kind bei sich aufgenommen und
großgezogen. Er war für ihn zum Ersatz für eine Familie geworden, die er
irgendwann mal besessen hatte. Er hatte eine neue Familie gefunden. Und Laura?
Wenn sie in den D'Abots einen Ersatz gefunden hatte, dann hatte man ihn ihr auf
grausamste Weise wieder entzogen.
Mit dem Wissen um das, was ihr zugestoßen war, fand er es erstaunlich,
dass sie sich überhaupt auf Patrick ein-gelassen hatte. Aber, so versuchte er
es sich zu erklären, vielleicht suchte sie eine neue Familie, und vielleicht
war ihr dabei auch jedes Mittel recht.
Es klang logisch, aber leider war es nicht mal für ihn überzeugend. Seit
ihrem Gespräch konnte er sie nicht mehr als das berechnende kleine Miststück
hinstellen, zu dem er sie erklärt hatte.
In Gedanken noch vollkommen mit dieser ärgerlichen Erkenntnis
beschäftigt, hätte er beinahe den Brief übersehen, der zwischen all den anderen
lag. Es war ein ganz normaler weißer Umschlag, vielleicht etwas dicker als
üblich. Doch was wirklich auffällig war, war, dass er nicht frankiert worden
war. Jemand hatte ihn persönlich hier vorbeigebracht.
Vince wartete gerade so lange, bis er von der Straße aus nicht mehr zu
sehen wäre, dann hob er den Brief an seine Nase und schnupperte daran. Und ein
ärgerliches Knurren entwich ihm, als er seinen Verdacht bestätigt sah. Dave
hatte ihn gebracht. Dem Papier haftete der Geruch eines Wolfes an, eines
Wolfes, dessen Fährte er nun schon zu oft verfolgt hatte, als dass er ihn nicht
erkannt hätte.
Der Brief war an Patrick gerichtet, doch um das Postgeheimnis scherte er
sich im Moment herzlich wenig. Noch auf dem Weg ins Haus riss er den Umschlag
auf und starrte anschließend verblüfft auf die Fotos, die ohne Kommentar in dem
Umschlag gewartet hatten.
Laura. Jemand hatte sie aufgenommen, und zwar auf diesem Grundstück. Die
Bilder schienen ihn und das gesamte Rudel verhöhnen zu wollen, und Vinces
Lippen waren ein einziger blutleerer Strich, als er die Tür geräuschvoll hinter
sich ins Schloss zog. Es gab Bilder von ihr allein und mit anderen. Bilder von
ihr draußen ... und Bilder im Haus. Vince fluchte unterdrückt, während er
achtlos die übrige Post auf den schmalen Tisch am Eingang warf und zwei Stufen
auf einmal nehmend die Treppe hinauflief.
Sie waren beobachtet worden, und niemand hatte es bemerkt. Sie waren
hochmütig geworden und hatten sich hier zu sicher gefühlt. Dave war dreist,
dreist genug, um wahllos Menschen anzugreifen, und anscheinend auch dreist
genug, um sie auf ihrem eigenen Land herauszufordern. Und niemand hatte etwas
bemerkt.
Es war ein für ihn artfremder Akt der Höflichkeit, als er kurz gegen
Patricks Schlafzimmertür pochte, dann aber, ohne auf Antwort zu warten, die Tür
aufstieß. Das Bild, das sich ihm bot, traf ihn im ersten Moment unvorbereitet.
Unter den dünnen Laken eng ineinander verschlungen, lagen sie zusammen im Bett,
und Vince blieb wie angewurzelt stehen. Plötzlich hatte er das Gefühl, ein
eiskalter Eimer Wasser hätte sich beim Betreten des Raumes über ihn ergossen.
Laura lag mit dem Rücken an Patricks Brust, ihr Kopf ruhte auf dessen
Arm, während die Finger ihrer anderen Hand mit den seinen auf dem Kissen
ineinander verhakt waren. Im Schlaf hatte Patrick ein Knie zwischen ihre Beine
geschoben, und Vince spürte ungewollt Ärger in sich aufkommen. Sie wirkten viel
zu vertraut, fast so, als gehörten sie zusammen. Doch dann grinste er und gab
der Tür einen Tritt, woraufhin diese mit einem lauten Knall ins Schloss fiel.
Die Reaktion erfolgte umgehend. Laura setzte sich mit einem erschreckten
Schrei ruckartig
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