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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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Heiltumsweisung», stimmte der Schöffenmeister, Gerhard van Haren, ihm zu. «Wir sollten sie befragen und dann abwarten, bis die Kirmes vorbei ist.»
    «Ich halte es für irrwitzig, sie überhaupt einzusperren», rief van Eupen erbost. «Ihr kennt sie doch alle. Sie ist die Tochter von Gotthold Schrenger! Glaubt ihr wirklich, was die Kanoniker ihr vorwerfen?»
    «Sie werden die Anschuldigungen schon nicht aus der Luft gegriffen haben», gab van Haren zu bedenken.
    «Du lieber Gott, hast du van Kettenyss zugehört?», fuhr van Eupen ihn an. «Ich sage euch, da steckt mehr dahinter als ein paar gefälschte Reliquien. Markwardt hat den Domherrn Scheiffart wegen der gleichen Sache angezeigt, die van Kettenyss nun gegen Marysa Markwardt anführt. Haltet ihr das für einen Zufall?»
***
    Christophorus strich sein frischgewaschenes Skapulier glatt, welches er über einem neuen, strahlend weißen Habit angelegt hatte. Er bemühte sich, seine Nervosität zu verbergen, während er sich auf einen der Plätze bei den Schöffen setzte.
    Seit Marysas Verhaftung waren zwei Tage vergangen, in denen nur Jolánda einmal zu ihr in die Zelle gelassen worden war, um ihr Decken und etwas zu essen zu bringen.
    Man hatte bis zum Montagmorgen mit der Befragung gewartet, damit das Schöffenkolleg auch vollzählig anwesend sein konnte. Christophorus hatte seinen Einfluss geltend gemacht und war nun als einer der Vertreter des Marienstifts anwesend.
    Der Raum, in dem die Befragung stattfand, war klein und quadratisch. Es gab nur die Stühle für die Schöffen und die Ankläger, ein Pult für den Gerichtsschreiber und einen Schemel für die Angeklagte. Christophorus warf dem schwarzen Kruzifix über der Tür einen langen Blick zu.
    Er fragte sich nachgerade, in was er hier hineingeraten war. Niemals auf dem langen Weg von Pamplona nach Aachen wäre ihm in den Sinn gekommen, dass er sein Versprechen, Aldos Schwester beizustehen, auf diese Art und Weise würde einlösen müssen. Er spielte ein gefährliches Spiel, das war ihm nur zu bewusst. Wenn es schiefging, würde mehr als nur ein Scheiterhaufen auf dem Kaxhof brennen.
    Ein Büttel brachte Marysa herein und führte sie zu dem Schemel.
    Christophorus spürte einen heftigen Stich in der Herzgegend und starrte angestrengt auf seine Hände. Sie sah entsetzlich aus! Das braune Kleid – jenes, das sie bereits auf der Beerdigung ihres Gemahls getragen hatte – war zerknittert und wies am Rock einige unschöne Flecken auf. Sie hatte ihr Haar, so gut es ohne Spiegel ging, unter einer Rise verborgen und den Schleier, der normalerweise mit einem Schapel festgehalten wurde, wie das Kopftuch einer Bäuerin umgebunden. Sie war blass, die Augen dunkel gerändert. Ihre Hände hielt sie fest ineinander verschränkt, obwohl die eisernen Handschellen sie auf diese Weise unangenehm drücken mussten.
    Der Schöffenmeister befahl ihr, aufzustehen und ihren Namen zu nennen. Sie tat beides, ohne den Blick zu heben, und schien erleichtert, als er ihr erlaubte, sich wieder zu setzen.
    Van Haren trat vor und forderte sie auf, ihn anzusehen. «Frau Marysa, Witwe des Schreinbauers Markwardt, Ihr und Euer verstorbener Gemahl seid von Ulrich van Kettenyss, der das Marienstift vertritt, wegen Handels mit falschen Reliquien angezeigt worden. Euer Gemahl kann nicht mehr aussagen, also ist es an Euch, etwas zu den Vorwürfen zu äußern.»
    Marysa schwieg.
    «Nun?» Van Haren trat einen Schritt auf sie zu.
    Was sollte sie sagen? Diese Männer würden ihr ebenso wenig glauben, wie Reinold auf ihre Warnungen gehört hatte. Vielleicht war es nicht seine Absicht gewesen, doch er hatte sie in die Sache hineingezogen, und nun musste sie seinen verrückten Plan ausbaden. Ihr Blick wanderte über die Reihen der Schöffen, die sie aufmerksam, jedoch nicht unbedingt feindselig ansahen, über die drei Kanoniker, die der Befragung beiwohnten, und blieb an Bruder Christophorus hängen. Was suchte er hier? Er saß bei den Domherren; war er also als Inquisitor hier?
    Ein irrwitziger Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Würde ausgerechnet er, der ihrem Bruder versprochen hatte, auf sie achtzugeben, derjenige sein, der dafür sorgte, dass sie wegen Ketzerei verurteilt wurde?
    Sie schloss für eine Sekunde die Augen, öffnete sie jedoch sogleich wieder, als sie van Harens erneute, diesmal deutlich ungeduldige Aufforderung zum Sprechen vernahm.
    Wieder wanderte ihr Blick zu Bruder Christophorus. Eben hatte er noch auf seine Hände gestarrt, nun

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