Die standhafte Witwe
Schwert an seiner Hüfte, so daß es nicht beschädigt werden konnte. Sein Hund kam an seine Seite und streckte sich neben ihm aus.
Johanna starrte ihren Mann einige Minuten an, bevor sie wieder sprach. Dieser Mann hatte das Talent, sie zu hypnotisieren. Vielleicht lag es an der Tatsache, daß er so viel Mann war. Er war bestimmt so groß wie Nicholas, aber viel muskulöser. Zumindest nahm sie das an.
»Sag mir, was du gerade denkst.«
Der Befehl ihres Mannes brachte sie aus dem Konzept. »Ich habe Nicholas noch nie ohne Hemd gesehen, daran habe ich gerade gedacht. Ich überlegte eben, daß du muskulöser bist als Nicholas, aber da ich ihn noch nicht … Na ja, es war ein ziemlich dummer Gedanke.«
»Aye, das war es allerdings.«
Sie fühlte sich nicht beleidigt. Sein genüßliches Grinsen verriet ihr, daß er sie bloß necken wollte. Mit dem Lächeln und den geschlossenen Augen wirkte Gabriel auf sie höchst zufrieden. Er war wirklich ein faszinierender Mann.
Johanna sah, wie sein Hund sanft mit der Schnauze seine Hand anstieß und sofort mit einem Tätscheln belohnt wurde.
Ihr Mann bereitete ihr längst nicht mehr soviel Sorge wie vorher. Nicht nur, daß er seine Launen im Griff hatte, er besaß außerdem noch einen zärtlichen Zug in seinem Charakter. Die Tatsache, wie sein Hund auf ihn reagierte, war vielsagend.
Gabriel erwischte sie, wie sie ihn anstarrte. Verlegen errötete sie und senkte ihren Blick auf ihren Schoß. Sie wollte noch nicht gehen, denn sie genoß dieses friedliche Zwischenspiel mit ihrem Mann. Also beschloß sie, ihn in eine Unterhaltung zu verwickeln, bevor er vorschlagen konnte, zurückzukehren.
»Sind Schottland und die Highlands nicht dasselbe, M’lord?«
»Sie sind es, und dann auch wieder nicht«, antwortete er. »Wir bezeichnen uns nicht als Schotten, wie ihr Engländer uns so gerne nennt. Wir sind entweder Hochländer oder Tiefländer.«
»Dem Klang deiner Stimme bei dem Wort ›Tiefländer‹ entnehme ich, daß du diese Leute nicht besonders magst.«
»Nay, ich mag sie nicht besonders.«
»Warum nicht?«
»Sie haben vergessen, wer sie sind«, erklärte er. »Sie sind englisch geworden.«
»Ich bin auch Engländerin«, platzte sie heraus, bevor sie sich bremsen konnte.
Sie hörte sich so entrüstet an, daß er lächeln mußte. »Das ist mir klar.«
»Ja, natürlich«, sagte sie. »Vielleicht kannst du es mit der Zeit vergessen.«
»Das ist allerdings zweifelhaft.«
Sie wußte nicht, ob er sie necken wollte oder nicht. Sie beschloß, das Gespräch auf etwas weniger Verfängliches zu lenken.
»Auggie ist nicht verrückt.«
»Nein, bestimmt nicht. Die Maclaurins glauben das, die MacBains sicher nicht.«
»Tatsächlich ist er sehr klug. Das Spiel, das er sich ausgedacht hat, macht viel Spaß. Und es erfordert Geschick. Du mußt es einmal ausprobieren.«
Er nickte, nur um ihr zu gefallen. Er fand es bewundernswert, wie sie den alten Mann verteidigte. »Auggie hat das Spiel nicht erfunden. Es existiert schon lange. Früher wurden Steine dafür benutzt, später schnitzte man aber auch Bälle aus Holzblöcken. Manche nähten sogar Lederhüllen, die sie mit nassen Federn füllten.«
Johanna speicherte das neue Wissen für zukünftige Verwendung. Vielleicht konnte sie für Auggie ein paar Lederbälle anfertigen.
»Er meint, ich hätte mich anstecken lassen.«
»Gott steh uns bei«, seufzte er. »Auggie spielt das Spiel jeden Tag, ob es nun regnet oder stürmt.«
»Warum warst du so böse über das bißchen Schmutz in meinem Gesicht und auf den Händen?«
»Das habe ich dir doch schon erklärt. Du bist jetzt meine Frau, und du sollst dich entsprechend benehmen. Es gibt einige Rivalität zwischen den MacBains und den Maclaurins, und solange sich beide Clans noch nicht daran gewöhnt haben, in Frieden miteinander zu leben, müssen wir Stärke zeigen, nicht Verletzbarkeit.«
»Mache ich dich verletzbar?«
»Aye, das tust du.«
»Warum? Ich möchte dich wirklich gerne verstehen«, sagte sie. »War es der Schmutz oder eher die Tatsache, daß ich den Nachmittag mit Auggie verbracht habe?«
»Ich will nicht, daß du auf den Knien herumrutschst, Johanna. Du mußt jederzeit mit angemessener Würde auftreten. Meine Frau soll keine gewöhnlichen Aufgaben verrichten.«
»Diese Ansicht hast du bereits erwähnt.«
»Das ist keine Ansicht«, entgegnete er. »Das ist ein Befehl!«
Sie versuchte zu verbergen, wie sehr sie das verstimmte. »Ich bin ziemlich erstaunt darüber,
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