Die starken Fesseln der Sehnsucht: Roman (German Edition)
freundlichen Ort angekommen zu sein. Sie würde überleben, wie sie immer überlebt hatte.
Sie hoffte nur, dass das Essen nicht mehr lange auf sich warten lassen würde, denn sie war wie ausgehungert.
Nikolai blickte auf, als sich die Tür zu seinem Arbeitszimmer öffnete. Obwohl er ernsthaft versucht hatte, mit Louise die Bücher durchzugehen, hatte er Mühe, sich zu konzentrieren, weswegen seine gute Freundin ziemlich ungehalten war.
Jean kam in das Arbeitszimmer. Nachdem sie Louise höflich zugenickt hatte, sagte sie: »Unsere Besucherin, die übrigens Adia Adams heißt, ist erwacht und möchte mit uns beiden sprechen, Captain.«
Nikolai sprang augenblicklich auf. Die vierundzwanzig Stunden seit der Ankunft der geheimnisvollen Frau waren quälend langsam verstrichen. »Gut. Louise, da deine Buchhaltung in bester Ordnung zu sein scheint, brauchst du mich jetzt ja wohl nicht mehr.«
»Ich finde es erstaunlich, dass ein Mann, der mit bloßen Händen gegen Sklavenhändler kämpfen würde, jeden Vorwand nutzt, um vor einem Rechnungsbuch davonzulaufen«, bemerkte Louise bissig.
»Wenn das Rechnungsbuch sich wehren würde, wäre es vielleicht interessanter«, versetzte er, als er zur Tür hinüberging.
Isabelle flog von ihrer Vogelstange auf seine Schulter, und er kraulte dem Papagei den Nacken. »Bleib, ma belle, und leiste Louise Gesellschaft«, sagte er und setzte Isabelle wieder auf ihre Stange, wo sie ruhelos von einem Fuß auf den anderen trat.
»Isabelle wird mir eine bessere Gesellschaft sein als du«, beschied ihn Louise, als sie sich wieder über ihre Bücher beugte. »Mademoiselle Macrae, ich habe eine Lotion, die helle Haut vor der Sonne schützt. Ich werde Ihnen etwas davon bringen lassen.«
»Danke. Das würde ich sehr begrüßen«, sagte Jean, ein wenig überrascht über das Angebot.
Nikolai scheuchte Jean vor sich hinaus und auf die Treppe zu. Als sie hinaufging, blickte sie sich über ihre Schulter nach ihm um. »Ist Louise deine Haushälterin?«
»Unter anderem. Sie kann sehr gut rechnen, deshalb ist es ihre hauptsächliche Aufgabe, die Bücher für das Schifffahrtsgeschäft zu führen, das den größten Teil der Insel unterhält. Da sie nur zwei Häuser weiter unten lebt, ist sie sehr oft hier. Sie kümmert sich auch um Isabelle, wenn ich nicht hier bin. Dieser undankbare Vogel mag Louise mehr als mich, glaube ich.«
Als er beim Betreten von Jeans Zimmer die Besucherin nicht sah, ging er zur Terrasse weiter, wo Adia an der Mauer stand und zur Insel und der Caldera hinunterblickte.
Sie drehte sich zu Jean und Nikolai um, als die beiden auf die Terrasse hinaustraten, um sie zu begrüßen. Adia Adams war recht groß für eine Frau und eine beeindruckende Erscheinung. »Was für ein wunderschöner Ort das ist«, sagte sie auf Englisch mit nur ganz schwachem Akzent. »Wenn ich mich recht entsinne, nannten Sie ihn Santola, Captain Gregorio?«
Er nickte. »Die Insel ist eine Zufluchtsstätte für befreite Sklaven. Wir befinden uns hier im westlichen Mittelmeer.«
»Eine Zufluchtsstätte für befreite Sklaven? Kein Wunder, dass ich hierher gebracht wurde!«
Von einer Eingebung geleitet, sagte er: »Ich war selbst ein Sklave. Sie auch?«
Sie nickte. »Da dies das Mittelmeer ist und Sie weiß sind, sind Sie vielleicht von arabischen Piraten versklavt worden?«
»Ja. Aber ich bin nicht völlig weiß. Meine Großmutter war Afrikanerin wie Sie.«
Adias Augen weiteten sich vor Erstaunen über das Gehörte. »Ob das dann wohl der Grund ist, aus dem die Magie mich hierher brachte?«
»Woher und aus welcher Zeit kommen Sie, Adia?«, fragte Jean. »Ich sterbe vor Neugier.«
»Setzen Sie sich bitte, denn das wird eine lange Unterhaltung werden.« Adia trat unter die Überdachung und setzte sich auf einen Stuhl der Bank gegenüber. Nikolai und Jean ließen sich, so weit wie möglich voneinander entfernt, auf der Bank nieder. »Ich komme aus London und dem Jahr 1787.«
Ihren Worten folgte absolute Stille. Obwohl Nikolai und Jean schon zu dem Schluss gekommen waren, dass Adia eine Zeitreisende sein musste, war es dennoch sehr schockierend, dies aus ihrem eigenen Mund zu hören. Es warf so viele Fragen auf, dass Nikolai der Kopf schwirrte. Doch zunächst einmal ... »Warum sind Sie hergekommen?«
Sie bedachte ihn mit einem durchdringenden Blick. »Meine Mission ist, Krieger zu finden, die sich dem Kampf gegen die Sklaverei anschließen.«
Ihre Worte durchzuckten ihn wie ein Blitz. »Großer Gott,
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