Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stimme des Herrn.

Die Stimme des Herrn.

Titel: Die Stimme des Herrn. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Theorie »der bewußtseinslosen endlichen« oder der zu »völliger Autodeskription« befähigten Automaten befaßten, interessant aus, und überhaupt entstanden eine Menge wertvoller Arbeiten im Kreis der »Humies«, mit der einzigen Einschränkung, daß diese Arbeiten zum »Sternenbrief« nur lose oder überhaupt nicht in Beziehung standen. Es liegt mir wirklich völlig fern, die »Humies« »heruntermachen« zu wollen, und ich sage das alles nur, um darauf hinzuweisen, welch aufwendige und komplizierte Maschinerie auf der Erde in Gang gesetzt worden war angesichts jenes ERSTEN KONTAKTES und wie stark sie mit sich selbst, mit den eigenen Getrieben beschäftigt war, was sich gewiß nicht günstig darauf auswirkte, das gesteckte Ziel zu erreichen.
    Sonderlich günstig, was den leiblichen Komfort anbetrifft, waren auch unsere Lebensbedingungen nicht. Wir hatten in der Kolonie fast keine Autos, weil die dereinst gebauten Straßen unter den Dünen verschüttet lagen und in der Siedlung selbst nur eine Minimetro verkehrte, die noch aus der Zeit der Atomtestanlage stammte. Sämtliche Gebäude standen auf riesigen Betonfüßen, graue, schwerfällige Klötze mit abgerundeten Flanken, und unter ihnen, auf dem Beton der leeren Parkplätze, tobte sich nur der heiße Wind aus, der auf diesem eng zusammengedrängten Raum so stark blies, als käme er aus einem Hochofen, und jenen schauderhaften, rötlichen, unerhört feinen Sand durch die Gegend trieb, der überall eindrang, sobald man die hermetisch abgeschlossenen Räume verließ. Sogar das Schwimmbassin lag unter der Erde, sonst wäre Baden nicht möglich gewesen.
    Viele Leute zogen es jedoch vor, zu Fuß von Gebäude zu Gebäude in der unerträglichen Glut durch die Straßen zu wandern, als das unterirdische Verkehrsmittel zu benutzen, denn dieses ganze Maulwurfsdasein machte einem ja noch zusätzlich zu schaffen, weil man beinahe auf Schritt und Tritt auf Spuren aus der Vergangenheit der Siedlung stieß – und sei es in Gestalt der gigantischen orangeroten Lettern SS (über die sich, wie ich mich erinnere, Rappaport bei mirbeklagte), die selbst am Tage leuchteten; sie bezeichneten die Richtung des Bunkers – er hieß »Super-Shelter« oder vielleicht auch »Special Shelter«, ich weiß es nicht mehr. Nicht nur unter der Erde, sondern auch in unseren Arbeitsräumen brannten Täfelchen: EMERGENCY EXIT, ABSORPTION SHIELD, und auf Betontafeln vor den Gebäudeeingängen wurde hier und da die BLAST LOAD mitgeteilt, mit Kennziffern über die Stärke der Stoßfront der Druckwelle, die die jeweilige Struktur auszuhalten vermochte. In den Gangbiegungen, auf den Treppenabsätzen standen große blutrote Dekontaminationsbehälter, und in Handgeigerzählern schwammen wir regelrecht.
    Im Hotel wiederum waren die leichteren Trennwände und Scheiben, die die Halle unterteilten, samt und sonders mit großen Leuchtschriften versehen, die darüber informierten, daß es während eines Tests gefährlich sei, sich an diesem Ort aufzuhalten, da er nicht dafür berechnet war, die Druckwelle auszuhalten. Und zu guter Letzt gab es auf den Straßen noch ein paar riesenhafte Pfeile, die gleich Mahnmalen zeigten, in welcher Richtung sich die Druckwelle am stärksten ausbreite und welches an der jeweiligen Stelle die Reflexionskoeffizienten der Welle waren. Der allgemeine Eindruck war so, als befände man sich an dem berüchtigten Punkt Null und als sollte sich der Himmel über einem jeden Augenblick in einer thermonuklearen Explosion aufspalten. Nur einige wenige von diesen Täfelchen waren mit der Zeit übermalt worden. Ich fragte, warum man nicht alles beseitigt habe, und die Leute gaben mir lachend zur Antwort, man habe jede Menge Tafeln, Sirenen, Zähler, Sauerstoffflaschen zum Durchpusten weggeräumt, und die Verwaltung habe gebeten, das, was übrig geblieben sei, nicht anzurühren.
    Als Neuankömmling hatte ich einen geschärften Blick, und jene Rudimente der atomaren Vorgeschichte der Siedlung störten mich im übrigen nur eine Zeitlang, denn später, als ich mich in die Problematik des »Briefs« versenkt hatte, bemerkte ich sie wie alle anderen nicht mehr.
    Anfangs erschienen mir diese Bedingungen unerträglich, wobei ich nicht nur die klimatisch-geographischen im Auge habe. Hätte mir Grotius in Hampshire gesagt, daß ich an einen Ort flog, an dem jede Toilette und jedes Telefon abgehört wurden, hätte ich mir Wilhelm Eeney aus der Ferne ansehen können, dann hätte ich nicht nur theoretisch

Weitere Kostenlose Bücher